Vom Schatten ins Licht.
Standing in the Shadows of Motown
Sie haben mehr Nummer-1-Hits eingespielt als Elvis, die Beatles, die Rolling Stones und die Beach Boys zusammen. Mit dieser gewagten und wohl eher zu Vermarktungszwecken lancierten These versucht dieser Dokumentarfilm auf sich aufmerksam zu machen.
8. April 2017, 21:58
Hinter den Erfolgen des legendären amerikanischen Musiklabels "Motown" standen nicht nur große Namen wie Marvin Gaye, Diana Ross oder Stevie Wonder, sondern auch Studiomusiker, deren künstlerischer Anteil am Erfolg weithin unterschätzt wird.
Längst sind die damaligen Begleiter an den Instrumenten in Vergessenheit geraten. Wer kennt heute noch Namen wie den Bassisten James Jamerson, den Keyboarder Earl Van Dyke oder den Schlagzeuger Uriel Jones? Zusammen mit zehn anderen Musikern waren sie die "Funk Brothers", und damit das musikalische Rückgrat von Motown.
Erinnerungen in Anekdoten
Der Film "Standing in The Shadows of Motown" holt nun nach, was die Musikgeschichte einmal mehr verabsäumt hat, macht sich auf die Spuren der Funk Brothers von heute und lässt ihre meist anekdotischen Erinnerungen an die Anfänge und das Ende, an ihre Höhepunkte und Krisen nochmals am Kinozuseher vorbeiziehen.
Dazu haben Regisseur Paul Justman und Drehbuchautor Alan Slutsky die - heute noch lebenden - Funk Brothers vor die Kamera geholt. Die meisten der Funk Brothers kamen aus dem Norden, "um in der Autoindustrie einen Job zu finden", erinnert sich der heute 76-jährige Keyboarder Joe Hunter, "doch in Wirklichkeit wollte man nur Musik machen."
Enthusiasmus vor der Kamera
Alan Slutsky hat bereits 1989 eine Biografie über den Bassisten James Jamerson unter dem Titel "In the Shadows of Motown" veröffentlicht. Und Slutsky war es dann auch, der Regisseur Paul Justman zu diesem Film anregte.
Justman entwirft ein durchaus sympathisches Porträt alter Männern, die durch ihre Musik jung geblieben sind, wie man auch ihrem Enthusiasmus vor der Kamera immer wieder entnehmen kann, etwa wenn sie gemeinsam die ehemaligen Studioräumlichkeiten besuchen.
Doch auch von Drogen- oder Alkoholproblemen ist die Rede, so erinnert sich Schlagzeuger Uriel Jones daran, wie Bandleader Earl van Dyke den Drummer Benny Benjamin tot aufgefunden hätte.
Extra-Soundtrack
Nachgespielte Szenen wechseln sich in "Standing in the Shadows of Motown" mit Archivaufnahmen aus vergangenen Zeiten ab, aktuelle Interviews mit Ausschnitten eines Konzerts in Detroit, das die Funk Brothers gemeinsam mit jüngeren Kollegen wie Joan Osborne, Ben Harper, Bootsy Collins oder Chaka Khan gegeben haben.
Daraus ist auch zugleich der eigens zum Film produzierte Soundtrack entstanden.
Nicht mehr als Plauderei
Gerne hört man sich die Erzählungen der Funk Brothers an. Mehr als nette Plauderei kommt nicht heraus. Über die internen Arbeitsabläufe und die Produktionsweisen bei Motown erfährt man hier kaum etwas, auch wenn dieses Wissen die - vor allem finanziell - nicht immer faire Behandlung der Studiomusiker erhellen würde.
Derartige Misstöne haben Paul Justman und Alan Slutsky weitgehend vermieden, sie begnügen sich mit einer Hommage, die auch den Funk Brothers sichtlich Genugtuung verschafft.
Standing in the Shadows of Motown
USA, 2003
mit: The Funk Brothers
Drehbuch: Walter Dallas, Alan Slutsky
Regie: Paul Justman