Von der Allmacht der Medien
Ein Provokateur wird salonfähig
In gut zwei Wochen wird am Wiener Burgtheater Elfriede Jelineks Text "Bambiland" uraufgeführt. Als Uraufführungsregisseur hat sich die Autorin den "Theaterprovokateur" Christoph Schlingensief gewünscht.
8. April 2017, 21:58
Christoph Schlingensief ist viel zu intelligent und mit allen medialen Wassern gewaschen, um nicht zu wissen, was man von ihm erwartet. Und diese Erwartungen, die enttäuscht er besonders gerne, sonst würde es ihm wohl auch selbst zu langweilig.
Der Umgang mit Sensationserwartungen
Elfriede Jelineks Text "Bambiland" entstand während des Irakkriegs als spontane Reaktion auf das Geschehen. Im Mittelpunkt stehen die "schuldlos-schuldigen Beobachter": Die Medien und die Medienkonsumenten.
"Bambiland" ist für Schlingensief eine Möglichkeit Themen wie Angst oder Krieg in seiner eigenen Theatersprache zu formulieren, Ihn interessiert, Filmemacher und Hörspielautor, der er auch ist, die Montage, die Tonspur, keine Eins zu Eins Wiedergabe des Textes, sondern die Überblendung und nicht die Sensationserwartungen der Medien.
Hilflosigkeit, Dilettantismus, der Umgang mit plötzlich Entstehenden, der Einbruch der Wirklichkeit in den Kunstraum und umgekehrt, das waren schon immer die Themen Christoph Schlingensiefs, ob in seinen Filmen, in seinen Fernsehshows oder in Installationen. Auch in seiner Wiener "Ausländer raus"-Aktion spielte er geschickt mit dem öffentlichen Raum und den Medien. Seither hat er allerdings hier nichts mehr gemacht.
Die Macht der Provokation
Burgtheaterdirektor Klaus Bachler kam auf Schlingensief zu, nachdem viele Projekte mit Festwochen oder Stadt versandet waren. An der Volksbühne bei Frank Castorf in Berlin hat Schlingensief mit seinen Inszenierungen immer wieder Öffentlichkeit und Kritik gespaltet.
Natürlich weiß Schlingensief um die Macht der Provokation: Als er vor kurzem in einem Zeitungsinterview sagte, in Wien habe er Schauspieler gesehen, die wie ein superfettiger Schweinsbraten auf der Bühne rumstanden und sich ganz toll fanden, gab das mehr als eine leichte Verstimmung im Burgtheater.
Schlingensief in Bayreuth
Bei den Bayreuther Festspielen inszeniert Christoph Schlingsensief demnächst Wagners Parsifal, eine Oper, die er sehr liebt, vielleicht weil der Apothekersohn aus Oberhausen selbst oft wie ein hellsichtiger Tor auftritt und an den Wunden der Gesellschaft leckt. Schlingensief ist ein in allen Medien der Kunst experimentierender Forscher, seine Resultate sind keineswegs perfekt, aber Bayreuth, der Olymp für viele Opernregisseure, hat ihn dennoch erkoren.
Ob in Bayreuth oder bei der Biennale in Venedig, ob in einem Privatfernsehkanal oder im Internet, Christoph Schlingensief ist meist dort nicht, wo man ihn erwartet, sondern schon längst anderswo.