Verbindender Tsunami

Schreiben fernab der Heimat

Erst war Englisch die wichtigste Sprache der Schriftsteller. Dann war es verpönt, in Englisch zu schreiben, und man wählte je nach Zugehörigkeit Tamilisch oder Singhalesisch. Viele verließen ihr Land, oder sieht das nur von hier so aus?

Die Literatur aus Sri Lanka ist im deutschsprachigen Raum nicht gerade üppig vertreten. Man kann in einer mehr als 20 Jahre alten Anthologie schmökern oder sich einige Romane einer knappen Handvoll, vier sind es genau, Insel-Autoren zu Gemüte führen. Einen wirklichen Überblick über das literarische Schaffen auf der Insel Sri Lanka erhält man so aber nicht, denn die vier sind über die Welt verstreut und leben schon längst nicht mehr in der alten Heimat.

Ondaatje stiftet Literaturpreis

Zweifellos der berühmteste von ihnen ist Michael Ondaatje, sein Roman "Der englische Patient" wurde nicht nur mehrfach ausgezeichnet, sondern auch verfilmt, und das mit fulminantem Erfolg: Neun Oscars hat die Geschichte des ungarischen Grafen Almasy gebracht.

Weil er seit seinem 11. Lebensjahr in Kanada lebt, gilt Ondaatje als kanadischer Schriftsteller. Seine alte Heimat hat er dennoch nicht vergessen: Als man ihm 1992 den Booker Prize für den "Englischen Patienten" verlieh, stiftete er im Jahr darauf das Geld, um einen Literaturpreis, den Gratiaen Prize, in Sri Lanka zu etablieren und die besten englisch schreibenden Jungautoren zu fördern.

Vorbild der jungen Schriftsteller

Kaum weniger bekannt ist Romesh Gunesekera, der die zauberhafte Geschichte der Liebe von Miss Nili und dem Meeresbiologen Ranjan Salgado schrieb, erzählt aus der Sicht des leidenschaftlich gerne kochenden Buben Triton.

Mit 17 kam Gunesekera nach London und er gilt mittlerweile als großes Vorbild der jungen Schriftsteller auf Ceylon, vielleicht auch, weil er ihnen nach der Katastrophe Weihnachten 2005 Mut zugesprochen hat. Wie soll man nach dem Tsunami schreiben, war der verzweifelte Tenor im Land. Er erinnerte seine ehemaligen Landsleute daran, dass man gerade in Sri Lanka immer schon davon überzeugt war, dass der Schriftsteller innerhalb seiner vier Wände genau das aufschreibt, was außerhalb im richtigen Leben passiert.

Einen guten Nebeneffekt, wenn man das so sagen darf, hatte der Tsunami auf jeden Fall: das Sprachenproblem ist nicht mehr so wesentlich wie vorher, Englisch gilt weniger denn je als die Sprache der Unterdrücker, sondern ist als allgemeine Kommunikationsbasis anerkannt. Und England selbst hat "seine Ceylonesen" wieder entdeckt: Im letzten Jahr wurde in Foyles Bookshop Charring Cross in London die "Srilit" veranstaltet, eine Aktion, in der neben dem normalen Angebot die 100 besten Bücher aus Sri Lanka, Romane, Bildbände, Reiseführer, Sach- und Kochbücher vorgestellt wurden. Das Resultat: Einige der Bücher erreichten die englischen Bestsellerlisten.

Beginn als Dramaturg

Noch ein über die Grenzen hinaus Bekannter ist Shyam Selvadurai. Er verließ die Insel erst mit 19, sein Ziel war Kanada. Seine Berufsvorstellung war eher mit der Bühne verbunden als mit dem Schreibtisch: Er begann als Dramaturg für Theater und Fernsehen.

Sein erster Roman, die Geschichte eines seltsamen Buben, Funny Boy, machte ihn schlagartig bekannt, wobei sein persönlicher Hintergrund, der für Sri Lanka einfach zu problematisch ist, sicherlich eine große Rolle gespielt hat, denn Shyam hat sowohl tamilische wie singhalesische Vorfahren, ist Christ und bekennender Schwuler.

Kein "perfekter Mord"

Bekennender Krimifan hingegen ist Michelle de Kretser. Sie wuchs mit den englischen Klassikern auf, kannte als Kind schon alle Agatha-Christies und las mit Begeisterung alles über die Verbrechen, die in ihrer näheren und ferneren Umgebung begangen wurden. Besonders beeindruckt hat sie die Erzählung ihres Vaters, der bei der Aufdeckung eines "perfekten Mordes" mitgewirkt hat. Seither ist sie davon überzeugt, dass es "den perfekten Mord" nicht gibt. Was auch in ihrem zweiten Roman, dem ersten, der in Deutsch erhältlich ist, zum Ausdruck kommt.

Übrigens: Michelle de Kretser hat die Insel ebenfalls verlassen und lebt nun in Australien.

Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 3. Mai 2007, 11:40 Uhr

Buch-Tipps
Michelle de Kretser, "Der Fall Hamilton", Verlag Klett-Cotta, ISBN 3608937404

Michael Ondaatje, "Der englische Patient", dtv, ISBN 3423084049

Shyam Selvadurai, "Funny Boy, Bollmann Verlag, ISBN 3927901687

Romesh Gunesekera, "Riff", Unionsverlag, ISBN 329320113X

Ortrun Fröhlich (Hg.), "Mein zerbrochenes Volk. Erzählungen und Gedichte aus Sri Lanka", Peter Hammer Verlag, ISBN 3872942700