Musikplakate wirken

Wie schaut Musik gut aus?

Das Plakat muss eine Grenze überschreiten, sonst kann es sein Gegenüber nicht erreichen. Musikplakate müssen Erwartungen erfüllen und Überraschungen auslösen. Grenzen überschreiten muss die Musikwissenschaft auch beim Thema Musik-Plakatieren.

Musikplakate in Wien. Meist verweist ein Teil auf das Ganze: zum Beispiel das Porträt einer Jazz-Sängerin auf einen Jazz-Zyklus, manchmal verweist das Sujet auf Aufmerksamkeit und Zuhören: Wien Modern, das Festival neuer Musik, inserierte 2004 mit einem sich nach dem Erwachen räkelnden Kind im Unterhemd, 2006 mit dem auf dem Mund gelegten Finger einer dunkelhäutigen Frau.

Die Wiener Festwochen laden 2007 mit Handkuss ein, wobei der korrekt gekleidete Herr der mit Perlmutt-Schmuck gezierten Hand der Dame die herausgestreckte Zunge präsentiert - der kleine Tabubruch, den wir nach den letzten Jahre schon erwartet haben.

Skandalplakate - Plakatskandale

Wiener und Wienerinnen! Unsere Staatsoper, die erste Kunst- und Bildungsstätte der Welt, der Stolz aller Wiener, ist einer frechen jüdisch-negerischen Besudelung zum Opfer gefallen.

So begann der "Aufruf zu einer Riesenkundgebung" gegen Kreneks Oper "Jonny spielt auf" anlässlich der Uraufführung 1928, an die Wiener und Wienerinnen gerichtet. Das ist eines von 220.000 historischen Plakaten aus der Sammlung der Wien-Bibliothek, die im Laufe des Jahres auch online gehen wird. Derzeit sind die Sujets zwar im Internet aufgelistet, aber noch ohne Bild. Die Plakate der Sammlung - eine der größten von weltweit wenigen - sind derzeit nur in der Wien-Bibliothek zu sehen.

Plakatstadt Wien

"1921 wurde die Gewista gegründet. 1923 folgerichtig die Plakatsammlung", erzählt Julia König-Rainer, Kuratorin der Sammlung. "Folgerichtig für Wien. Denn Wien war und ist noch immer eine Plakatstadt. Studien beweisen, dass beim Verhältnis der Einwohner und Einwohnerinnen zu den Plakaten Wien immer ganz vorne dabei ist."

An den Polizeipräsidenten Johann Schober
Ich fordere Sie auf abzutreten.
Karl Kraus, Herausgeber der Fackel.


Dieses Plakat, dessen Inhalt Karl Kraus auch im Schoberlied artikulierte, evozierte sogar ein Gegenplakat - die höchste Ehre, die einem Plakat zuteil werden kann.

Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Gold

"Wien ist ein spezieller Platz", sagt auch Andreas Schultz von Schultz & Schultz: Der Kampf um Aufmerksamkeit, der auf Plakatsäulen, Hausmauern und allen anderen Flächen geführt wird, ist nur mit besonderen Sujets und Typografien zu gewinnen. Für das Wiener Konzerthaus hat das Designer-Paar Schultz & Schultz eine singuläre Sprache gefunden: blütenweiße Plakate, die einzigen in der Stadt, mit roten Balken und schwarzer Schrift, wenig Informationen, viel Platz für den Klang, der angekündigt wird.

Das Wiener Konzerthaus oder die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien haben keine eigenen Musikplakat-Sammlungen. Vieles wartet noch in privaten Nachlässen auf Aufarbeitung - der Gulda-Nachlass enthält Friedrich Guldas handgeschriebene, selbst fotokopierte Plakate, die er am Musikverein affichierte - mit nichts drauf als seinem handgeschriebenen Nachnamen. Er war also einer der wenigen Musikschaffenden, die sich schon in den 1980er Jahren überlegt haben, wie sie auf das Publikum wirken wollen.

Ein großer Verweigerer

Gulda kam, wenn er kam, aber so, wie er wollte, überraschend in jeder Weise. Er weigerte sich gegen Ende seiner Karriere, unter das Layout der Plakate der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien subsumiert zu werden.

Ein Erscheinungsbild, das Musikliebhabern und -liebhaberinnen vertraut ist: Exklusiv für diesen Ort ist Schwarz auf Gold reserviert. Kürzlich plakatierte der Veranstalter nasty.org seine Musikevents genauso: mit schwarzen Buchstaben auf goldenem Grund. Klassische Musikliebhaberinnen wie ich wurden verführt, hinzuschauen.

Hör-Tipp
Apropos Musik. Das Magazin, Sonntag 6. Mai 2007, 15:06 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Jahrbuch "Keine Kunst: 100 Beste Plakate 05 Deutschland Österreich Schweiz", Verlag Hermann Schmidt, ISBN 978-3874397032

Links
Plakatsammlung der Wienbibliothek
Swiss Poster Collection
Deutsches Historisches Museum - Plakatsammlung
100 beste Plakate des Jahres