Ivica Racan und seine Rolle in der kroatischen Wende

Was ist ein Reformkommunist?

Ivica Racan, der ehemalige kroatische Premier und Chef der zweitgrößten Partei in Kroatien, der Sozialdemokratischen Partei (SDP), ist am 29. April 2007 gestorben. Racan wurde als ein "Reformkommunist" bezeichnet. Eine semantische Ungenauigkeit.

Ivica Racan wurde 1944 als Sohn einer inhaftierten Kroatin in Ebersbach, Deutschland, geboren. Nach dem Krieg lebte die Familie Racan in Slavonski Brod, etwa 200 Kilometer östlich von Zagreb entfernt. Schon mit 16 Jahren trat er in die Kommunistische Partei Jugoslawiens ein. Seither spielte er eine immer bedeutender werdende Rolle in der Politik seines Landes, die ihn bis 1991 - zum Ende Jugoslawiens - ins Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Jugoslawiens führte.

Das Schicksal der kommunistischen Parteien

Nach dem Zerfall Jugoslawiens strichen die meisten "kommunistischen" Parteien, so auch die kroatische, das Adjektiv "kommunistisch" aus ihrem Namen, um sich so vom belastenden Erbe zu befreien. Auf diese Weise sind die vielen heute aktiven "linken" Parteien in ehemals "sozialistischen" Ländern entstanden.

Mit seiner neuen Partei, der Sozialdemokratischen Partei Kroatiens (SDP), besiegte Racan nach dem Tod des ersten kroatischen Präsidenten Tudjman dessen Partei HDZ und wurde Premier zwischen 2000 und 2003. Danach kehrte die HDZ mit Ivo Sanader an die Spitze der Regierung zurück. Racan wurde der führende Politiker der Opposition.

Keine schlechte Nachrede

Angesichts seines Todes ist der Mensch Ivica Racan ins Rampenlicht der Medien gekommen. Man analysierte seine Persönlichkeit und seinen politischen Werdegang. Guten Sitten folgend, äußerten sich nach seinem Tode auch Menschen, die bis vor kurzem noch heftige Gegner waren, fast ausschließlich positiv über Racan. Man erfuhr plötzlich, dass Racan auch ein Mensch mit allen Schwächen und Tugenden war, die normalerweise durchschnittliche Bürger auszeichnen. Man bekam zu hören, dass er schon als sehr junger Mensch ein "Rebell" war und mehr oder weniger zufällig mit der kommunistischen Partei zu tun hatte.

Die "Reformkommunisten"

Der Zufall wollte, dass nur ein paar Tage vor Racans Tod, am 23. April, der ehemalige russische Präsident Boris Jelzin gestorben ist. Jelzin und Racan teilten eine Bezeichnung, die viele Fragen offen lässt. Sie wurden von den Medien "Reformkommunisten" genannt.

Was aber heißt das? Was unterscheidet einen reformierten Kommunisten von einen nicht reformierten? Man erweckt so das Gefühl, dass es einzelne Menschen gab, wie zum Beispiel Racan und Jelzin, die zum Fall des Ostblocks beigetragen haben. Man vergisst, dass das System selbst träge und müde geworden ist. Man vergisst, dass dieses System überhaupt nicht "reformiert" wurde - es ist einfach ver- und zerfallen.

Mit diesem Krach sind leider auch einige "positive" Erscheinungen, die im realen Sozialismus existierten, zu Grunde gegangen. Wäre das System "reformiert" worden, würden sie nicht auf diese Art, für manche Staaten sehr tragisch, völlig verschwinden.

Die Zeichen der Zeit
Seinem eigenen Wunsch folgend, wurde Ivica Racan im Kreis der Familie beigesetzt. Das weist Racan als einen Mann aus, der die Zeichen der Zeit erkannt hat. Politiker kehren heute zur Normalität zurück. Die Zeiten der großen Führer scheinen vorbei zu sein. Erfreulich ist, dass in den Ländern Süd-Osteuropas diese Wende klar zu sehen ist. Es ist zu einem Generationswechsel gekommen, in dem weniger und weniger Platz für ideologische Zusammenstöße ist.