Marx als "Moderner" seiner Zeit
Was ist modern?
Die Musikwissenschaft hat in den letzten Jahren den Begriff der "Moderne" neu diskutiert. Er wird nun nicht mehr an eine bestimmte Stilrichtung gekoppelt. War Joseph Marx "modern"? Worin könnte sich Marx als "Moderner" seiner Zeit offenbaren?
8. April 2017, 21:58
Dass es in der österreichischen Kulturgeschichte "Romantik" gibt, wird von der Geschichtsforschung oftmals in Frage gestellt. Die Kunst hier zu Lande sei viel zu realistisch, um die Bodenhaftung jemals ganz zu verlieren. Haydn und Schubert - ja auch Letzterer mit seiner präzisen Ausleuchtung der menschlichen Seelenzustände - können als Kronzeugen befragt werden.
Da gibt es keine Flucht aus der Welt in ein anderes, sei es besseres, sei es noch schaudervolleres Reich. Was bedeutet aus diesem Gesichtspunkt aber dann die Hereinnahme von Topoi einer abgelaufenen Zeit in eine neue Epoche? Was hat es zu besagen, wenn ein Komponist des 20. Jahrhunderts nicht nur, aber auch, unter Rückgriff auf musikalisches Material des hinter ihm liegenden 19. Jahrhunderts, neue Musik komponiert? Joseph Marx, der vor 125 Jahren Geborene einstmals hoch Berühmte evoziert mit seinem Stil diese Fragen.
Modern - ein relativer Begriff
Die Musikwissenschaft hat in den letzten Jahren den Begriff der "Moderne" neu diskutiert. Er wird nun - nach den Erfahrungen mit der "Postmoderne" - nicht mehr an eine bestimmte Stilrichtung, wie die "2. Wiener Schule" rund um Schönberg gekoppelt, sondern aus der jeweiligen Zeit heraus definiert.
So war eben in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Schönberg durchaus und ohne jeden Zweifel "modern", das waren aber auch jene seiner Zeitgenossen, welche sich nicht dessen Theorien anschlossen. So gab es in Österreich damals eben auch Gál und Wellesz als "moderne" Komponisten und gleichermaßen Krenek oder Marx. Alle haben auf ihre Weise in ihrer Zeit "Neues" gesucht und es unter anderem auch auf der Basis von "Altem" gefunden. Man kann hier eine "Achse" Brahms - Schönberg ebenso ins Treffen führen, wie eine Brahms - Marx.
Impressionen des 20. Jahrhunderts
Worin könnte sich demnach Joseph Marx als "Moderner" seiner Zeit offenbaren? Beispielsweise in der Art, mit welcher er die "Natur" musikalisch betrachtet. In seinen diesem Phänomen gewidmeten Orchesterwerken ist er ein Begeisterter, aber er ist Außenbeobachter, gleichsam ein impressionistischer Maler, der hinausgeht und "abzeichnet" und keineswegs Teil des von ihm Beobachteten und Beschriebenen wird.
Hier verbindet sich der Österreicher auf eigentümliche Weise mit den Klangwelten des Franzosen Debussy. Die Natur steht mit ihm in der gemeinsamen Zeit - also in seinem 20. Jahrhundert.
Ein Nachleben als Lehrer
Marx war eine höchst erfolgreicher Lehrer - und einer, der in dieser Funktion Unterschiedlichstes hervorgebracht hat: Johann Nepomuk David, Jenö Takács und Kurt Schwertsik, den einstmals erfolgreichen Operettenkomponisten Rudolf Kattnigg.
In seinen Schülern lebte er länger weiter als mit seiner eigenen Musik, die nach seinem Tod 1964 rasch verklungen ist. Aber nicht nur die Musikwissenschaft, sondern auch das Interesse prominenter Musizierender erweckt den Eindruck, dass seine Zeit noch einmal kommt.