Jede Tonart hat einen Eigencharakter
Die Maitonart
Frühlingsfrische, Wachsen, Sprießen, Helligkeit und Unschuld. G-Dur ist die Maitonart im Zeichen des Stieres. Auf diese Zusammenhänge wies zuletzt der Pianist und Musikwissenschafter Stefan Mickisch in einem seiner beliebten Vorträge hin.
8. April 2017, 21:58
Mickisch über G-Dur und e-moll
Der Pianist und Musikwissenschafter Stefan Mickisch ist Opernfreunden, vor allem Wagnerfans, ein Begriff. Seine von ihm 1998 übernommenen Einführungsvorträge zu sämtlichen Aufführungen in Bayreuth genießen absoluten Kultstatus. Mittlerweile treffen seine Gesprächskonzerte, in denen er, über Wagner hinaus, dramatische und symphonische Werke vom Klavier aus vorstellt, im ganzen deutschen Sprachraum auf begeisterte Auditorien.
Nun setzt er sich seit einiger Zeit intensiv mit Tonartencharakteristik und Sternzeichen auseinander, ausgehend von der siebenstufigen diatonischen Tonleiter, die die sieben Planeten bildet, während die Zahl 12 einen kosmischen Raum beschreibt, in dem sowohl die zwölf Tierkreiszeichen als auch die zwölf chromatischen Halbtöne und damit die zwölf Dur-und die zwölf Molltonarten des neuzeitlichen abendländischen Tonsystems schwingen.
Universelle Sichtweise
Nicht außer acht lässt er andere Zwölfer-Zusammenhänge. Der Tag umfasst zwei mal zwölf Stunden, das Jahr zwölf Monate, die christliche Überlieferung kennt zwölf Apostel, die heidnische zwölf Titanen, Schlenker zu Wagner, das muss sein bei Mickisch: zwölf Meistersinger agieren zu Nürnberg.
Es ist faszinierend, Stefan Mickisch über die kosmische Einheit, den Fixsternhimmel, reden zu hören, die Verbindung der zwölf mal zwölf Tonarten mit den zwölf Monaten, dem Tagesablauf und den Sternzeichen und natürlich spielen zu hören - alles auswendig, 141 Tonbeispiele, getragen von einer universellen Sichtweise, die den seelischen Inhalten der Harmonik gerecht wird. Unser Wissen darum ist ja weitgehend verloren gegangen, die Komponisten haben es zum Teil gewusst oder empfunden und haben ihr Gefühlswissen intuitiv in ihren Werken umgesetzt.
Licht, lieblich, naiv
G-Dur steht am Anfang der hellen Kreuztonarten. Ein Kreuz. Licht, lieblich, etwas naiv, sehr ästhetisch, diese Tonart hat, so Stefan Mickisch, etwas vollkommen Unangriffslustiges.
Aufspüren der Zusammenhänge zwischen Tonarten und Sternzeichen ist differenzierte Klangarbeit. Mit Sicherheit ist das kein kurioses Spekulieren, sondern ein Ansetzen an altem Wissen, das für die griechischen Philosophen bis hin zu Astronomen wie Kepler eine Selbstverständlichkeit war.
Innere Wesensart
Jede Tonart hat einen Eigencharakter, hat einen inneren Symbolwert, man kann auch sagen eine innere Wesensart, eine Ausstrahlung, die uns beeinflusst.
Wissenschaftlich beweisbar ist die Tonartensymbolik nicht, aber es ist doch kein Zufall, dass Haydn es mit C-Dur Licht werden lässt oder in der Nummer Drei der Jahreszeiten die C-Dur-Harmonie sogar wörtlich auf das Sternzeichen Widder fixiert: "Vom Widder strahlet jetzt die helle Sonn'".
Eine frühlingshafte Tonart
Ein Grad weiter in der Helligkeit. Das ist G-Dur. Ein erstes sich Öffnen nach außen, noch verhaltenes, sanftes Kontaktaufnehmen mit der Umwelt wie in einem Duft, frühlingshaft, blumenhaft.
Maitonart G-Dur. Stier, so der Pianist Stefan Mickisch, klinge fast etwas zu hart als Zeichen, stimme nicht ganz vom Titel für das Sternbild. In der ägyptischen Mythologie sei es das Isis-Zeichen, die Isis-Kuh, ein mildes Zeichen.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 9. Mai 2007, 10:05 Uhr
CD-Tipp
Stefan Mickisch, "Tonarten und Sternzeichen", FAF 263, LC 10020
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Stefan Mickisch
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