Einige Beispiele

Islamische Parallelgesellschaft

Droht die Entwicklung einer islamischen Parallelgesellschaft?

Frau Y. wohnt in einer großen Wohnsiedlung in Wien. Sie ist Türkin, praktiziert den Islam aber nicht. In den letzten Jahren ist die Zahl der traditionell lebenden Muslime in ihrer Wohnsiedlung gestiegen.

Immer öfter wird sie darauf angesprochen, warum sie kein Kopftuch trägt. Ihr 7-jähriger Sohn bringt aus dem islamischen Religionsunterricht in der Schule die Meinung mit, sie lebe wie eine Ungläubige und werde in der Hölle landen. Frau Y. will ihre Geschichte nicht persönlich erzählen und ihren Namen nicht nennen. Sie hat Angst vor Streit und Druck der Nachbarn.

Kein Einzelfall
Einer der wenigen der sich traut, seinen Namen auch öffentlich zu nennen ist Assad Khayat, gebürtiger Syrer und griechisch-katholischer Christ. Als Araber versteht er, was in den Moscheen und Moscheevereinen gepredigt wird.

Er glaube nicht, dass in den Moschee Integration gepredigt werde: "Die meisten predigen gegen die Integration, der Islam soll sich zusammenschließen, das heißt eigene Gemeinschaft, eigene Gesellschaft, Parallelgesellschaft, die mit den Österreichern nichts zu tun hat.

Er sei jemand, der glaube, dass alle Menschen gleich seien. Aber diese Prediger predigten das Gegenteil: "Die Muslime sind die erste Rasse, und alle anderen sind zweite, vierte usw."

Ein anderes Beispiel
Frau Z. - auch sie will ihren Namen nicht nennen. Frau Z. engagiert sich bei einem Verein. Vor einigen Jahren hat sie einen islam-kritischen Artikel veröffentlicht. Kurz darauf setzte Telefonterror ein, und, noch schlimmer, alle muslimischen Frauen verschwanden aus ihren Veranstaltungen. Seither ist Frau Z. mit öffentlicher Kritik sehr zurückhaltend.

Während der Recherche zu diesem Beitrag ergaben sich Gespräche mit drei Personen, die mit dem Tod bedroht worden sind, nachdem sie sich kritisch über den Islam geäußert hatten. Der Journalist einer Lokalzeitung wurde darüber hinaus von Funktionären eines Moscheevereins mit Klagen und Anzeigen eingedeckt, um ihn einzuschüchtern.

Der Druck funktioniert
Keiner der Kritiker will mehr in der Öffentlichkeit auftreten. Ein für diesen Beitrag bereits gegebenes Interview darüber, wie der Unterricht in der Schule eines Moscheevereines abläuft, wurde kurz vor der Ausstrahlung wieder zurückgezogen: Die Kinder lernen dort den Koran auf arabisch auswendig, ohne ihn zu verstehen, außerdem wird islamische Lebensweise in einer sehr konservativen Ausprägung unterrichtet. Wie gesagt, das Interview wurde zurückgezogen.

Ein Gegenbeispiel
Droht die Mehrheit der Muslime in Österreich in eine Parallelgesellschaft abzurutschen? Eine Organisation, deren reine Existenz gegen diese These spricht ist die Muslimische Jugend Österreichs. Sie ist vor elf Jahren gegründet worden und hat inzwischen etwa 8.000 Mitglieder, erklärt Farid Hafez, einer der Gründer. Er und seine Freunde hätten auf ein Defizit der islamischen Verbände reagiert:

"Die gesamte Jugendarbeit, die von Muslimen geleistet worden ist, war auf das Ausland konzentriert", kritisiert Farid Hafez .Er habe einen Weg gesucht, sich als Bürgerinnen und Bürger Österreichs zu definieren.

Die Sprache der muslimischen Jugend ist Deutsch, die Mitglieder sehen sich als Österreicher, die eben nicht Protestanten oder Katholiken sind, sondern Muslime. Mädchen und Burschen nehmen gemeinsam an Veranstaltungen teil - Sportcamps, Exkursionen in Nachbarländer, aber auch gemeinsame Reisen nach Mekka.

Diskriminierung ist überall
Dieses Österreichertum werde aber nicht überall akzeptiert, sagt Farid Hafez: Am Arbeitsmarkt würden Muslime immer wieder diskriminiert.

Das Problem der Muslime sei nicht die Religion, ergänzt Omar Al Rawi, Landtagsabgeordneter in Wien und Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft, sondern, "dass sie es nicht geschafft haben, aus eigener Kraft in die Mittelschicht aufzusteigen." Das hätten nur ein paar Wenige geschafft, der große Teil lebe an der Armutsgrenze. Al Rawi beklagt die Vernachlässigung der Ausbildung ebenso wie mangelnde Deutschkenntnisse:

Viele, speziell der alten Generation, haben noch immer die Koffer nicht ausgepackt. Es war immer noch so der Wunsch, irgendwann kehren wir zurück, und wer immer so denkt, der lebt in einem Provisorium.

Dass viele Muslime sehr traditionell leben will auch Baruch Wolski nicht abstreiten. Wolski engagiert sich beim Kulturverein Kanafani, der allgemein als politisch links gilt und Kulturprojekte organisiert.

Nur das Gespräch hilft
Das Problem sei, dass Muslime und Nicht-Muslime meist nur die Vorurteile der jeweils Anderen kennen würden. Als Beispiel nennt er ein Interview, das im Rahmen eines Kulturfestivals mit ihm geführt wurde: "Die erste Frage war, sagt man jetzt Muslim oder Islamist, was ich schon einmal sehr lustig gefunden habe." Die zweite Frage bezog sich auf den angeblich mangelnden Willen, sich an Gesetze zu halten: "Als Beispiel hat die Kollegin dann genannt, wenn ein Mann drei Frauen haben will und so. Und ich war sehr erstaunt, weil Polygamie niemand einfordert in Österreich, also warum soll ich mich damit auseinandersetzen."

Bei normalen Problemen des Zusammenlebens mit Muslimen werde gefragt, was dazu im Koran stehe. Das sei absurd, sagt Wolski: Bei Schulproblemen katholischer und evangelischer Kinder werde schließlich auch nicht in der Bibel nachgeschlagen. Helfen würde nur eines: Ein normales vorurteilsfreies Gespräch mit den muslimischen Nachbarn.

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Links
Islamische Glaubensgemeinschaft
iidz - Islamisches Informations- und Dokumentationszentrum
Islamisches Religionspädagogisches Institut
alevi.at - Föderation Alevitischer Gemeinden in Österreich
Dokumentationsarchiv für Islamophobie
ZARA - Zivilcourage und Antirassismusarbeit
Muslimischer Lehrverein - Linkliste Islam in Europa