"Täglich werden wir mit Gewalt konfrontiert"

60 Jahre Katholische Frauenbewegung

"Die Kraft ist weiblich", das ist am 2. Juni das Motto des Geburtstagsfestes der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. In 60 Jahren haben die katholischen Frauen engagiert ihren Platz in Kirche und Gesellschaft gesucht und gefunden.

"Ich bin kein externer Berater. Ich bin eine von ihnen. Ich bin eine Dalit - und ich bin eine Frau", sagt Ruth Manorama. Die Dalit ("Unberührbare") gilt als die Anwältin ihrer Klasse. Für ihren unermüdlichen Einsatz wurde ihr im Vorjahr der Alternative Nobelpreis verliehen.

Ruth Manorama ist eine der rund 130 Projektpartnerinnen auf der ganzen Erde, die von der Katholischen Frauenbewegung Österreich, kurz kfb, mit rund zwei Millionen Euro pro Jahr unterstützt werden.

Größte Frauenbewegung Österreichs

Die kfb ist die größte Frauenorganisation Österreichs. Sie ist eine kirchliche Laienorganisation im Rahmen der Katholischen Aktion. Heuer feiert die katholische Frauenbewegung ihr 60-jähriges Bestehen.

"Die Kraft ist weiblich", ist das Motto des offiziellen Geburtstagsfestes der kfb. Am 2. Juni wird rund um den Salzburger Dom gefeiert, denn gegründet wurde die kfb am Fest Christi Himmelfahrt im Jahr 1947 in Maria Plain bei Salzburg.

In den vergangenen 60 Jahren haben die katholischen Frauen engagiert und selbstbewusst ihren Platz in Kirche und Gesellschaft gefunden. Die Oberösterreicherin Margit Hauft ist die Vorsitzende der kfb: "Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen ihre Sache selbst in die Hand nehmen. Und das nicht nur in Österreich, sondern weltweit."

"Aktion Familienfasttag"

Die wichtigste Aktion der kfb war und ist seit den Anfängen die "Aktion Familienfasttag". Zum 50. Mal wurde sie heuer durchgeführt. Im Zentrum des Familienfasstages steht das Prinzip des Teilens. Die Grundidee ist einfach: an einem Tag im Jahr soll bewusst etwas Einfaches gegessen werden.

Das Geld, das gespart wird, wenn statt eines dreigängigen Essens ein einfaches Gericht auf den Tisch kommt, soll Frauenprojekten in den "Ländern des Südens" zugute kommen. Rund 80 Millionen Euro wurden in den vergangenen fünf Jahrzehnten gesammelt und den kfb-Projektpartnerinnen zur Verfügung gestellt.

So auch zum Beispiel dem "Asian Social Institute" in Manila. "Vergewaltigung ist ein großes Thema, häusliche Gewalt überhaupt. Und der Frauenhandel. Unsere Organisation arbeitet eng mit Krisenzentren für Frauen zusammen", sagt Mina Ramirez, die Präsidentin und Vorsitzende des Instituts auf den Philippinen.

"Wir machen auch Schulungen für Polizisten, damit die Frauen bei den Einvernahmen nicht nochmals traumatisiert werden. Ich bin immer wieder negativ überrascht, wie sehr Gewalt gegen Frauen in allen Teilen der Philippinen verwurzelt ist", beklagt Ramirez.

Frauen werden wie Dinge behandelt

Über Gewalt und patriarchale Strukturen könnte auch Diana Martinez aus Nicaragua lange sprechen. Nicaragua gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. 50 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, in den ländlichen Gebieten sind es sogar 70 Prozent.

Die ehemalige Textilarbeiterin ist Präsidentin der "fundacion ente mujeres". Seit Jahren setzt sich die knapp 50-Jährige für die Rechte der Frauen in ihrem Land ein. "Frauen werden oft wie Gegenstände behandelt", sagt Diana Martinez.

Ein wichtiger Schritt, um die Frauen aus der Gewaltspirale zu befreien, sei wirtschaftliche Eigenständigkeit, sagt Diana Martinez. Mit Hilfe der Katholischen Frauenbewegung Österreich wurde Ackerland gekauft, das von den Frauen in kleinen Kooperativen bearbeitet wird.

So werden aus schlecht bezahlten Tagelöhnerinnen eigenständige Kleinbäuerinnen. "Die Frauen haben keine Angst mehr, geschlagen oder vertrieben zu werden. Sie können das Notwendigste selbst anbauen und für sich und ihre Familien eine gesicherte Existenz aufbauen", berichtet Diana Martinez.

Zwei Millionen Euro jährlich

Die Katholische Frauenbewegung unterstützt mit der jährlichen "Aktion Familienfasttag" rund 130 Frauenprojekte in Österreich und in verschiedenen Ländern der Erde mit rund zwei Millionen Euro pro Jahr.

Eines der Projekte ist ein Sozialprojekt in den Slums von Kalkutta. Dort setzt sich die Sozialarbeiterin Nupur Sanyal seit 30 Jahren für bessere Lebensbedingungen für Frauen ein. In den von der kfb geförderten Bildungsprogrammen lernen die Frauen nicht nur ein Handwerk, sondern auch lesen, schreiben und rechnen. "Täglich werden wir mit Gewalt konfrontiert. In den Familien, auf der Straße, überall", sagt Nupur Sanyal. "Ich fühle mit diesen Frauen, weil ich so vieles selbst erlebt habe."

Projekt für traumatisierte Frauen in Chile

Die kfb-Projektpartnerin Doris Munoz stammt aus einer Bauernfamilie in Chile und hat sich seit ihrer Kindheit aktiv in der katholischen Kirche engagiert. Seit der Zeit der Militärdiktatur in Chile von 1973 bis 1990 setzt sie sich aktiv für die Menschenrechte ein.

Während der Zeit der Diktatur von General Augusto Pinochet wurden tausende Menschen ermordet und Hunderttausende verhaftet und gefoltert. Mehr als eine Million Menschen verließen in dieser Zeit ihre chilenische Heimat. Das Schicksal vieler desaparecidos, vieler Verschwundener, ist bis heute nicht geklärt.

"Die Erinnerung an die Angst und an die Unterdrückung ist in unsere Körper und unsere Seelen eingebrannt. Ob wir möchten oder nicht: sie begleitet uns immer!", sagt die katholische Theologin Doris Munoz.

Heilung erfahren diese Frauen unter anderem im von der Katholischen Frauenbewegung unterstützten "ökumenischen Bildungszentrum Diego de Medellin". Ziel ist es dort, die Traumata der Frauen aufzuarbeiten und einen Prozess der Selbstheilung zu beginnen, erzählt Doris Munoz.

In der Arbeit der kfb, der Katholischen Frauenbewegung, ist "Empowerment" zu einem der wichtigsten Ausdrücke und Schlagworte geworden. Gemeint sind Strategien und Maßnahmen, die das Maß an Selbstbestimmung im Leben der Menschen erhöhen und sie in die Lage versetzen, ihr Leben selbst zu gestalten.

Gesellschaftspolitisches Engagement

Das Engagement der kfb, der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, gilt nicht nur Frauen in Asien und Lateinamerika, sondern ganz speziell auch in Österreich. Margit Hauft als Vorsitzende der kfb nimmt oftmals zu konkreten gesellschaftspolitischen Themen in Österreich wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu Wort.

60 Jahre nach der Gründung der kfb und zum 50. Familienfasttag wünscht sich Margit Hauft von der österreichischen Bundesregierung mehr Mittel für Anwaltschaft, Lobbying und entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung.

Hör-Tipp
Imago, Montag, 28. Mai 2007, 0:05 Uhr

Link
Katholische Frauenbewegung Österreichs