Epochen der Verschwörung

Agenten des Bösen

Fünf Verschwörungsepochen hat Wolfgang Wippermann ausgemacht. Jene, die mit dem 11. September 2001 begann, ist für ihn die bis dato letzte. Sein Buch zeigt, warum Menschen zu bestimmten Zeiten nur allzu gerne bereit sind, abstruse Theorien zu glauben.

Der Einsturz des World Trade Center am 11. September 2001 hatte nicht nur einen neuen Krieg zur Folge, sondern führte auch zu einer Vielzahl neuer Verschwörungstheorien. Viele Menschen weltweit wollten nicht glauben, dass einige islamische Extremisten in der Lage wären, solch eine Tat zu planen und durchzuführen.

Verschwörungstheorien üben auf viele Menschen eine besondere Faszination aus und sind nicht so leicht aus der Welt zu schaffen, denn gegen Argumente sind die Anhänger der Theorien immun.

Historische Verschwörungswellen

Fünf Verschwörungsepochen hat er ausgemacht und jene, die mit dem 11. September 2001 begann, ist für ihn die bis dato letzte. Die erste datiert der Professor der Geschichte auf das ausgehende Mittelalter und die frühe Neuzeit. Verheerende Kriege und schwere wirtschaftliche und politische Krisen versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. Sie suchten nach einem Schuldigen und fanden ihn recht schnell.

Nur der Teufel persönlich hatte demgemäß soviel Macht, um solche eine geballte Ladung von Übel über die Welt zu bringen. Mit Hilfe seiner Agenten - allen voran der Juden und der Hexen - wolle er die Gläubigen vom rechten Weg abbringen. Was folgte waren - wie so oft in der Geschichte - Judenverfolgungen.

Mitte des 14. Jahrhunderts ging eine große Progromwelle über ganz Deutschland hinweg, wobei fast 100 Judengemeinden zerstört wurden. Anlass waren die Gerüchte, die Juden hätten Brunnen vergiftet und damit die Pest verbreitet - eine geradezu "klassische" Verschwörungsideologie, die in säkularisierter Form bis heute anzutreffen ist.

Die nächsten Wellen
Die nächste Blütezeit erlebten Verschwörungstheorien zur Zeit der französischen Revolution. Die konservativen Kräfte, die den Fall der alten Ordnung bedauerten und ihrer verlorenen Herrschaft nachweinten, vermuteten vor allem die Freimaurer, die Illuminaten und andere Geheimlogen hinter dem Aufstand.

Gerade in Zeiten des Umbruchs sind die Menschen besonders geneigt, Verschwörungstheorien zu glauben, ist Wippermann überzeugt. Und so verwundert es dann auch wenig, dass für ihn die dritte große Epoche der Verschwörungstheorien mit Ausbruch der bolschewistischen Revolution und die vierte mit Beginn des Kalten Krieges beginnt.

Wolfgang Wippermanns Text unterscheidet sich grundlegend von anderen Büchern über Verschwörungstheorien. Ihm geht es nicht um UFO-Sichtungen, nicht darum, wer nun John F. Kennedy wirklich ermordet hat oder um die Frage, ob der Templerordnen etwas mit Maria Magdalena zu tun hat oder nicht. Vielmehr versucht er zu zeigen, warum Menschen zu bestimmten Zeiten nur allzu gerne bereit sind, abstrusen Theorien Glauben zu schenken.

Aufklärerischer Duktus
"Agenten des Bösen" ist vor allem eine Abhandlung darüber, warum immer die Juden als Sündenböcke herhalten mussten. Denn egal ob sich Wippermann nun den Illuminaten, den Freimaurern, der französischen oder bolschewistischen Revolution widmet, stets geht es ihm darum, die antisemitische Grundhaltung der Verschwörungsdenker offen zu legen. Wippermann hegt im Gegensatz zu anderen Autoren, die sich mit Verschwörungstheorien beschäftigen, keinerlei Sympathien für diese. Für ihn sind sie auch kein harmloser Zeitvertreib, sondern eine Gefahr für unsere Gesellschaft:

Es droht ein Rückfall in eine vor- und antiaufklärerische Zeit mit alten neuen antisemitischen und diabolischen Verschwörungsideologien. Satan und seine Agenten werden uns nicht verlassen.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:15 Uhr

Buch-Tipp
Wolfgang Wippermann, "Agenten des Bösen", be.bra Verlag, ISBN 9783898090735

Link
be.bra Verlag - Agenten des Bösen