Alte und neue Weisheiten

Musikszene Mostar

"Musik die zusammenführt": Die jungen Musiker der geteilten und im Jugoslawien-Krieg umkämpften Stadt Mostar wollen von musikalischen Traditionen nicht mehr viel wissen. Porträt der Musikszene - quer durch die Genres.

Nach jedem Krieg neigen Menschen dazu, sich einzubilden, dass sie etwas aus dem Krieg gelernt haben. Die Nachkriegszeit weckt bei ihnen ein Gefühl des Neuanfangs: "Post nubila Phoebus", wie wir das in der Schule gelernt haben, nach dem Regen kommt der Sonnenschein.

Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ist ein klares Beispiel dafür, dass die alten Lateiner doch nicht so klug waren, wie das unsere Professoren glaubten. Das spürt man deutlich in dem heute unabhängigen Staat Bosnien-Herzegowina, der einmal als Musterknabe galt, wo Menschen, unabhängig von ihrer religiöser Zugehörigkeiten und Kultur, glücklichen zusammen leben konnten. Dafür verwendeten jugoslawische Professoren die Weisheit "Bratstvo i jedinstvo", was man mit "Brüderlichkeit und Einigkeit" übersetzen kann.

Wenn man heute durch die Stadt Mostar spaziert, die einmal so stolz auf seine "Brüderlichkeit" war und sogar eine wunderschöne alte Brücke hatte, die als Symbol der Verbindung diente, wird einem bewusst, dass ein Symbol unterschiedliche Bedeutungen haben kann.

Eine unsichtbare Mauer

"In Mostar existiert eine unsichtbare Mauer. Ich wohne im Stadtteil, der sich genau zwischen dem kroatischen und dem muslimischen Mostar befindet", sagte der junge Radioredakteur und Moderator Dragan Coric von Studio 88 in Mostar. Zynisch schlägt er vor, eine tatsächliche materielle Mauer, wie damals in Berlin, aufzubauen. Weil er an der Linie der Trennung wohne, würde er "Schwarzmarkthandel" betreiben.

Nubila und Phoebus
Im Nebel der spürbaren Resignation sind es Menschen wie Dragan Coric, die heute eine Musikszene in Mostar bilden, die ein Zeichen dafür ist, dass nicht alles verloren ist. Man kann Dragans Zynismus auch als Ausdruck einer nicht erloschenen Energie sehen, die die "unsichtbare Mauer" zu beseitigen versucht.

Musikinteressierte Menschen außerhalb der Stadt identifizieren Mostar vielleicht mit der Gruppe "Mostar Sevdah Reunion". Bei aller Ehre, das eigentliche Musikleben in Mostar ist von einer Musikszene geprägt, die in Räumen zwischen noch sichtbaren Ruinen entstanden ist. "Mostar Sevdah Reunion" spielt autochthone Musik der Region und ist stark vergangenheitsorientiert. Sie spielt die Musik, die etwas bewahren möchte.

Positives Denken

Atilla Aksoj von der Gruppe "Zoster" macht mit seinen zwei kleinen Töchtern eine Sonntagsrunde durch die Stadt. Auf die Frage, ob er für seine Kinder eine bessere Zukunft in Mostar sieht, antwortete er: "Ich muss daran glauben. Hätte ich daran nicht geglaubt, würde ich keine Kinder haben. Ich muss positiv denken und die Musik, die wir spielen, ist positiv. Trotzt all der Probleme, über die wir in unseren Liedern singen, versuchen wir mit einem Lächeln auf unser Publikum zuzugehen."

Mostar ist ein beliebter Ort der Tourismusindustrie geworden. Wenn man von den Routen der Stadtführer nur ein paar Schritte abweicht, kann man auf kleinere Gruppen junger Menschen stoßen, die in den verborgenen Räumen in den Ruinen ihre Musik spielen.

Der Texter und Musiker der Gruppe "Vuneny", Nedim Cisic, schrieb ein Gedicht mit dem Titel "Die Gewohnheit", das fast wie ein Sprichwort klingt: "Der Schrecken ist nur ein Moment."

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 2. Juni 2007, 17:05 Uhr

CD-Tipps
Mostar Sevdah Reunion, "A Secret Gate”
2003, SR-66002

Zoster, "Festival budala”, GCD1015

Zoster, "Ojuzilo”, GCD1008

Vuneny, "Play That Silence, Buybook CD 003/04

Vuneny, "V2” Buybook CD 003/06

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Vuneny
Mostar Sevdah Renuion
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