Die Beichte eines Nicht-Gläubigen

Die grüne Schachtel

Der serbische Architekt und Schriftsteller Bogdan Bogdanovich hat in der Zeit der Pest, wie er den Zerfall Jugoslawiens nennt, seine Träume auf kleine Zettel notiert und in eine Schachtel geworfen, um sie in besseren Tagen wieder hervorzuholen. Das hat er nun getan.

Ende der 1980er Jahre, als Jugoslawien zerfällt, schreibt der Architekt, Schriftsteller und ehemalige Belgrader Bürgermeister Bogdan Bogdanovich einen offen Brief an Serbiens starken Mann, an Slobodan Milosevic. Bogdanovich, Jahrgang 1922, warnte darin vor einem Rückfall in den Stalinismus. Ehe Bogdanovich und seine Frau 1993 nach Wien emigrieren konnten, erlebten sie Jahre der Einschüchterung und Verleumdung.

Wie überaus gefährlich diese Zeit war, wie sehr er persona non grata war, macht Bogdanovich im Gespräch deutlich, wenn er erzählt, dass sich die alten Frauen bekreuzigten, wenn sie seiner auf der Straße gewahr wurden, "als wäre ich der Teufel".

Schreiben gegen den politischen Wahnsinn
In dieser Zeit, in der an Publikationen nicht zu denken war, hat Bogdanovich seine Träume, Ängste und Wünsche auf kleine Zettel notiert, die er in einen mit grüner Tapete bezogenen Waschmittelkarton warf.

Ich notiere, was ich notiere, bemühe mich, den Albtraum zu überlisten, auszustechen. Aber ich weiß nicht, ob man die Dämonen der Unterwelt überhaupt bezwingen, ob man sie zerstreuen zersprengen kann. Gibt es einen Zauber, gibt es einen Gegenzauber, so etwas wie Zacken unter dem Bett? Nach unten gerichtete Zacken, weil der politische Wahnsinn immer von unten nach oben dringt.

Archäologe in eigener Sache

Seine Traumnotizen nennt er die Beichten eines Nicht-Gläubigen. Sie waren nicht für die Publikation bestimmt, jedenfalls nicht für die unmittelbare, doch als er und seine Frau Belgrad endlich verlassen konnten, fiel die Schachtel zu Boden und heraus quoll diese unglaubliche Menge an Zettelchen. In Wien hat sich Bogdanovich dann als Archäologe in eigener Sache betätigt und zeigt sich in seinen Kommentaren oft überrascht über die stets undatiert gebliebenen Notizen.

Es ist eine Geschichte des Zerfalls Jugoslawiens anhand seiner Träume und Ängste. Nie dachte Bogdanovich, der aus einer alten Belgrader Familie stammt, die Stadt, seine Stadt, zu verlassen. Doch habe er, so Bogdanovich nolens volens erkennen müssen, dass es sich auch ohne Belgrad ganz gut leben lasse: "Vielleicht hätte ich, wenn ich in Belgrad geblieben wäre - wie viele andere gute, intelligente Belgrader - eine verwundete Seele."

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Bogdan Bogdanovic, "Die grüne Schachtel", Zsolnay 2007

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Zsolnay