Liturgische Musik ist ein Publikumsrenner
In Gottes Diensten
Es ist erstaunlich, wie arm die Musik ohne Kirchenmusik wäre und wie wenig davon von der Kirche in Auftrag gegeben wurde. Liturgische Musik ist ein Publikumsrenner, aber überwiegend abseits der Kirchen. Welche Rolle spielt die Mäzenin Kirche heute für Musikschaffende?
8. April 2017, 21:58
Es gab eine Zeit, da war Kirche ein Synonym für Musikavantgarde. Kirchenmusik von Monteverdi, Bach und Beethoven sind "opera summa" - Zusammenfassungen der Komponiergeschichte, Paletten kompositorischer Möglichkeiten. Claudio Monteverdi war im Dienst der Kirche - als Kapellmeister des Markusdoms - innovativ, was seine musikalische wie organisatorische Arbeit betraf.
Er restrukturierte in Venedig den Chor, engagierte neue virtuose Sänger wie Francesco Cavalli, erweiterte das Archiv durch Neuankäufe, wertete den Chor auf, indem er das Singen von Messen an Wochen- und Festtagen wieder einführte und sorgte dafür, dass die Mitglieder des Instrumentalensembles Monatslöhne erhielten, anstatt wie bisher auf Tagesbasis bezahlt zu werden.
Der Heiligen Jungfrau gewidmet
Seinen Ruf als sakraler Komponist hatte Monteverdi mit der "Marienvesper" gelegt, im Titel ist die Kompositionsweise vermerkt, "zum Konzertieren komponiert über Cantus firmi", ein Hinweis auf die Komponierkunst und nicht auf die Frömmigkeit. Gewidmet ist das Werk auf dem Titelblatt der Heiligen Jungfrau Maria, aber vom Komponisten "für Kapellen und Fürstengemächer geeignet" erachtet.
Monteverdi, damals, drei Jahre nach seinem "Orfeo", zwar berühmt, aber in unsicheren finanziellen Verhältnis bei den Gonzagas in Diensten stehend, widmete die Marienvesper Papst Paul V. Die Widmung war die Bewerbung und Bitte um ein Kirchenamt. Das Geschäft ging auf, er wurde 1613 zum Kapellemeister des Markusdoms ernannt, professionalisierte in dieser Funktion die Kirchenmusik, machte aus Tagelöhnern Angestellte.
Bach als Bittsteller
Johann Sebastian Bach verlangte als Gegenleistung für seine h-Moll-Messe den Titel eines Kapellmeisters von "Dero Hoff-Capelle", er widmete die Messe dem Kurfürsten Friedrich August dem Zweiten. Kyrie und Gloria entstanden 1733 für den katholischen Dresdner Hof, waren sowohl im lutherischen wie im katholischen Gottesdienst verwendbar.
Seiner Bitte, "Kurfürstlich-sächsischer und königlich-polnischer Hofcompositeur" zu werden, wurde erst nach drei weiteren Jahren voller Widmungen und Konzerten entsprochen.
Schubert und Beethoven
Beethoven widmete seine C-Dur Messe dem Fürsten Kinsky, weil sie dem ursprünglichen Auftraggeber, Fürst Esterhazy, nicht gefiel. Schuberts "Deutsche Messe" wurde von Johann Philipp Neumann, Professor der technischen Universität, in Auftrag gegeben.
Wenige Kompositionsaufträge durch die Kirche
Es ist erstaunlich, wie arm die Musik ohne "Kirchenmusik" wäre und wie wenig davon von der Kirche in Auftrag gegeben wurde. Das ist bis heute so: Friedrich Cerhas Requiem, uraufgeführt 2004, war ein Auftragswerk des Wiener Konzerthauses, Zykans "Messe!", uraufgeführt 2002, entstand im Auftrag der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Kurt Schwertsiks Vertonung des Sonnengesangs im Auftrag eines Mäzens, Ligetis "Requiem" als Auftrag des schwedischen Rundfunks - motiviert durch den phantastischen schwedischen Rundfunkchor Erik Erissons.
Liturgische Musik ist ein Publikumsrenner, aber überwiegend abseits der Kirchen: beim Osterfestival in Tirol oder beim Grazer Festival Psalm 2007.
Kirchenmusik als Gut der Allgemeinheit
Welche Rolle spielt die Mäzenin Kirche heute für Musikschaffende? Die Public Private Partnership, wie sie in den Aufträgen weltlicher Fürsten zum Tragen kommt, setzt sich heute fort. Die Erzdiözese Wien veranstaltet einen Kompositionswettbewerb, den sie zwar organisiert, aber nicht bezahlt.
Den Standpunkt der Kirche bringt Walter Sengtschmid, Leiter des Referats für Kirchenmusik auf den Punkt. "Kirchenmusik ist ein Gut der Allgemeinheit, was wäre das Mozart-Jahr ohne Mozarts Kirchenmusik gewesen?"
Kompositionspreis für neue liturgische Musik
Konsequenter Weise wird der Slatkonia-Preis, der Kompositionspreis für neue liturgische Musik der Erzdiözese Wien, zwar von der Diözese organisiert, das Preisgeld von 6.000 Euro aber von der Republik gegeben.
Heuer steht "Gottesdienstmusik - Lob und Dank" auf dem Programm. Kein Geringerer als Julian Schutting konnte gewonnen werden, einen Te Deum-Text zu schreiben, der als Kompositionsvorlage dient. Die Jury wird aus den Einreichungen und Vorschlägen drei Komponierende auswählen, die einen Teil der Vertonung ausarbeiten dürfen, einer oder eine davon darf das ganze Werk vollenden, die anderen bekommen ein Abschlagshonorar.
Professionalisierung notwendig
Gott wird gelobt werden - die Grenzen des Lobs liegen weniger in mangelnder Frömmigkeit, als im begrenzten Können der Laienchöre. Die Kirchenmusik in Österreich ist mit wenigen Ausnahmen angestellter Organisten und Kirchenmusikleiter ein Hobby geworden, eine Tagelöhner-und Tagelöhnerinnen-Geschäft.
Eine neue Welle der Professionalisierung tut Not, eine neue Renaissance. Wie machte das Monteverdi?
Hör-Tipp
Österreich 1 extra, Donnerstag, 7. Juni 2007, 22:05 Uhr
Buch-Tipp
Peter Planyavsky, "Gerettet von Stephansdom", Edition Va Bene, ISBN 9783851671889
Link
Kirchenmusik - Wien - Slatkonia-Preis 2007