Oder: Von Stöcken, Säcken und Eseln

Pars pro toto

Die islamfundamentalistische Wahhabiten-Bewegung erfreut sich auf dem Balkan einer zunehmenden Anhängerschar. Berichte über Wahhabiten häufen sich in den Medien des ehemaligen Jugoslawien. Unklar ist, vor welchem Hintergrund das geschieht.

Jeder der die Medien aus Süd-Osteuropa verfolgt, insbesondere jene aus Serbien, Montenegro und Bosnien Herzegowina, stößt regelmäßig auf Berichte über Wahhabiten. Die muslimische Sekte wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Scheich Abd el Wahab gegründet wurde. Er wollte den Islam von allem reinigen, was sich in der Periode der "muslimischen Dekadenz" dem Islam anhaftete.

Eine Kündigung

Die montenegrinische Zeitung "Dan" (Der Tag) publizierte beispielsweise Ende Mai auf der Titelseite einen Artikel, der von einer "Kündigung wegen Wahhabismus" berichtet. Das Titelbild zeigt einen Mann in langem, schwarzem Mantel, mit Vollbart und der typischen weißen Kopfbedeckung muslimischer Gelehrter. Die großen roten Lettern der Überschrift lenken die Aufmerksamkeit auf das Wort "Wahhabiten".

Im Text selbst erfährt man dann auf Seite zwölf, dass zwei junge muslimische Gelehrte, wegen der vermuteten Zugehörigkeit zu den Wahhabiten ihre Tätigkeit in der muslimischen Gemeinde in Montenegro nicht weiter ausüben dürfen. Das wäre nicht mehr als eine "interne" Angelegenheit der muslimische Gemeinde. Der Subtext ist allerdings klar: Wenn schon Muslime selbst die Wahhabiten ausschließen, kann mit dieser Gruppe etwas nicht stimmen.

Stellvertreter-Auseinandersetzung

Berichte über Wahhabiten lassen sich auffallend oft in ex-jugoslawischen Medien finden. Unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft erscheint es offenbar heute nicht mehr opportun, eine ganze Religionsgemeinschaft frontal anzugreifen. Daher greift man eine Gruppe heraus, die bereits aus irgendwelchen Gründen stigmatisiert ist.

Wenn man in den Zeitungen ließt, dass bei einem Wahhabiten aus Bosnien-Herzegowina, der bei einem Unfall ums Leben kam, Maschinenpistole und Granaten gefunden worden sind, dann liegt die Schlussfolgerung auf der Hand, dass hier der Sack geschlagen wird, und der Esel gemeint ist. In dieser Gegend führen viele Menschen Waffen mit sich, auch Granaten, nicht nur Wahhabiten. In einer christlich dominierten Umgebung sind Muslime durch solch eine selektive Wahrnehmung benachteiligt.

Außenstehenden Süd-Osteuropa-Beobachtern fällt eine Beurteilung der Berichterstattung über Wahhabiten nicht leicht. Wenn man die Gegend kennt, weiß man auch, dass auch die dort Ansässigen damit ihre Probleme haben. Es wird noch viel Zeit vergehen, bis die örtlichen Medien anstatt Unklarheiten über diese Gruppe sachliche Analysen und Kommentare veröffentlichen werden.