Steigende Pannendichte
Hoppalas der Architektur
Die kleinen und größeren "Hoppalas" sind kein Ausnahmefall der Architektur. Pannen passieren, seit der Mensch baut. Aber wer ist schuld, wenn ein Bau finanziell aus dem Ruder läuft? Der Architekt? Und: Wurde früher teurer aber besser gebaut?
8. April 2017, 21:58
Pannen passieren, seit der Mensch baut. Besonders in Zeiten, wo neue Gebäudeformen und Technologien entwickelt werden. Mit steigendem Tempo der Innovationen, mit dem sich beschleunigenden Wachstum der Städte und der Industrialisierung des Bauens, musste die Pannendichte zunehmen.
Die kleinen und größeren "Hoppalas" sind kein Ausnahmefall der Architektur.
Wenn nun eine planerische Idee den Praxistest nicht besteht, dann kann das hauptsächlich, teilweise, oder auch gar nicht am Architekten liegen. Was davon im Einzelfall zutrifft, lässt sich von außen oft schwer beurteilen.
Der Architekt denkt, der Investor lenkt
Ein Baukünstler aus Italien plant Hochhäuser für den Wienerberg. Zwei glatte Quader aus Glas, die schräg versetzt zueinander stehen. Wie sie sich aus der Neigung des Hügels förmlich in den Horizont schwingen, wie sie im südlichen Stadtraum neue Blickachsen eröffnen, das freut das Auge immer von Neuem.
Die darin Arbeitenden haben weniger Freude.
Massimiliano Fuksas hat bei seinen Twin-Towers - sehr zum Leidwesen der dort Beschäftigen - in Kauf genommen, dass aus seiner zweischaligen Fassade eine simple, einfache Glashaut wird.
"Die Presse", 9. Oktober 2004
Doppelfassade eingespart
Der Vorstand der Firma, die die Hochhäuser bauen ließ, sparte die Doppelfassade ein. Gerüchten zufolge sollen im Sommer Mitarbeiterinnen vor Hitze ohnmächtig geworden sein. Offenbar wurde nämlich auch bei der Klimaanlage gespart.
Ähnliches passierte dem Architektenduo Coop Himmelblau bei dem gläsernen Wohnturm auf der Wiener Donauplatte.
Sahara-ähnliche Temperaturen
Der in Rekordzeit errichtete Bau jenseits der Donau laborierte bereits wenige Wochen nach Übergabe der ersten Wohnungen an etlichen Mängeln. Teile des Kellers standen nach heftigen Regenfällen zentimetertief unter Wasser. Die technologisch neuartige Klimafassade versagte ihren Dienst und sorgte im Sommer für Sahara-ähnliche Temperaturen.
"Kurier", 30. September 1998
"Das ist eine Sache, die nicht wir zu verantworten haben", so Wolf Prix von Coop Himmelblau. "Die Turbine, die einzubauen gewesen wäre, damit das wirklich funktioniert - die aus Gründen, die ich nicht weiß - das ist nicht passiert."
Geld für ein Butterbrot
Die Genossenschaft, die diesen geförderten Wohnbau in Auftrag gegeben hatte, ging bald danach in Konkurs: "Ich muss schon sagen, dass mancher Auftraggeber sich einen doppelten, aufgeschäumten Hamburger bestellt und das Geld nur für ein Butterbrot hat."
Adolf Krischanitz über die Psychologie des aufgeschäumten Hamburgers: "Es gibt Bauherren, denen notorisch immer noch etwas einfällt, obwohl eigentlich schon lang kein Geld mehr da ist und dann wollen sie, dass es fast nichts kostet. Es gibt Architekten, die die Kosten hochtreiben, nicht, weil sie mehr verdienen, sondern weil es auch ihre Natur ist, lieber mehr als weniger zu machen." Es gäbe da "alle Spielarten".
Kontrollverlust
Nicht immer behält der Architekt bis zum Schluss die Kontrolle über sein Produkt. "Es gibt heute bestimmte Techniken wie etwa den GU, den Generalunternehmer, der auch nicht gerade qualitätshebend ist, der zwar Kosten fixieren ist, indem er einen Fixpreis bekannt gibt, aber der versucht in dem Fixpreis auch nicht das Maximum zu machen, sondern eher weniger, weil das genau seine Gewinnspanne ist."
Da kommt es dann auch wieder darauf an, ob der Architekt die Pläne einem Generalunternehmer seines Vertrauens überantwortet, oder ob ihm Investor, salopp gesagt, eine Firma aufs Auge drückt. Bei sehr großen Projekten kann die Vereinbarung sogar dahin gehend lauten, dass der Architekt mit der Ausführung des de facto nichts mehr zu tun hat, also für Mängel auch nicht haftbar gemacht werden kann.
Wird schlechter gebaut?
Hat Adolf Krischanitz insgesamt den Eindruck, dass insgesamt immer schleißiger gebaut wird? "Besser wird es natürlich nicht. Das hängt damit zusammen, dass früher das Bauen von Handwerkern gemacht wurde, die das gelernt haben und das mit einem gewissen Ethos betrieben haben." Heute würde so gebaut, dass keine Facharbeiter mehr benötigen würden, "weil die natürlich teurer sind, sondern nur mehr angelernte oder Hilfsarbeiter."
Zudem werde der Kostendruck wirksam: "Man kann dann nicht mehr die gute Firma nehmen, die ein bisschen mehr kostet, sondern muss auf jeden Fall den Billigstbieter nehmen. Das ist eine relativ unselige Kombination."
Mehr dazu in oe1.ORF.at
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Links
Krischanitz und Frank
Coop Himmelblau