Klingende Visitenkarten

Neue Solo-Recitals auf CD

Opernstars und ihre neuen Solo-Recitals: Mittel, um die PR-Walze am Rollen zu halten, oder Dokument künstlerischer Weiterentwicklung? Soile Isokoski, Elina Garanca und Rolando Villazon geben ihre neuesten klingenden Visitenkarten ab.

"Scene d'amore" präsentiert die finnische Sopranistin Soile Isokoski auf ihrer neuesten Solo-CD, in Fortsetzung ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem finnischen Label "Ondine". Obwohl der Titel der Platte Leidenschaftlichkeit suggeriert, ist das Vollsaftige weniger die Sache von Soile Isokoski, eher das Elegische. Sanfter Leidenston und auffallend innig ausgesponnene Spitzentöne ziehen sich durch die gesamte Stück-Auswahl, die von Tschaikowskys "Eugen Onegin" (komplette Szene der Lisa) bis zu Verdis "Otello" ("Lied an die Weide" und Ave Maria) reicht, mit Bizet und Gounod und einer Prise Puccini dazwischen.

Höchste musikalische Akuratesse sowie das völlige Fehlen von "Drückern" oder aufgesetzten Effekten ergeben das Gesamtbild einer Interpretation "alter Schule". Mikko Frank am Pult des Helsinki Philharmonic Orchestra kostet alle schwelgerischen Momente genussvoll und ritardando-selig aus, aber seiner Solistin wird der Atem dennoch nie knapp. Für Ästhetinnen und Ästheten! (Im CD-Booket dagegen: kein "artwork". Soile Isokoski bleibt bei der praktischen Kurzhaarfrisur und steht zu ihren Stirnfalten.)

Elina Garancas neues Raritäten-Programm

Um eine Reihe von Graden kühlere Luft weht aus den Lautsprechern, wenn sich Elina Garanca dem "bel canto" widmet. In der begleitenden Fotostrecke wird sie von den PR-Strategen der "Deutschen Grammophon" diesmal nicht als rächender Vamp mit "smokey eyes" inszeniert, sondern als blumige Goldhaar-Nixe mit in die Ferne gerichtetem Blick.

Bei den Musiknummern gewinnt die Mezzosopranistin mit immer noch steigerungsfähiger Weltkarriere dem Rossini-, Bellini- und Donizetti-Repertoire in der ersten Hälfte des Programms eine überraschende Fülle langsamer "Kuschel"-Melodien ab: hauchig, sexy. Eine Finte, um das unterkühlt-herbe Image der Lettin zu brechen?

Virtuoses bleibt weitgehend ausgespart - um im zweiten Teil der CD im Rahmen von komplett musizierten ausgedehnten Szenen aus hierzulande kaum je gespielten Opern zu seinem Recht zu kommen: "Tancredi" und "Maometto II" von Rossini, sogar "L'assedio di Calais" von Donizetti profitieren so von der Prachtstimme und vom Einfühlungsvermögen von Elina Garanca.

Stilsichere Partnerinnen und Partner
Ein Ausschnitt aus Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" macht neugierig auf die demnächst erscheinende, in Wien produzierte Gesamtaufnahme der Oper mit Garanca und Anna Netrebko.

Die Mitwirkung stilsicherer Partnerinnen und Partner wie Ekaterina Siurina, Matthew Polenzani und Ildebrando d'Arcangelo macht das Anhören der knapp 65 Minuten Musik noch zusätzlich abwechslungsreich. Mit Chor und Orchester des Teatro Comunale di Bologna und Roberto Abbado am Dirigentenpult ist für eine kompetente Grundierung gesorgt.

Überraschendes von Rolando Villazon

Wenn Rolando Villazon dieser Tage wieder an der Metropolitan Opera in New York auftritt - in einer "Belcanto"-Oper, Donizettis "Lucia di Lammermoor", gemeinsam mit Anna Netrebko -, bleibt die bange Frage: Hat er sich nun stimmlich erfangen? Er hat jedenfalls die Barockmusik - und damit vielleicht seinen individuellen "Balsam für die Stimme" - für sich entdeckt.

Mit Monteverdi unter der Leitung von Emmanuelle Haim hat es begonnen, mit Händel geht es weiter: Demnächst erscheint eine Sammlung von Händel-Arien mit Rolando Villazon auf CD, übrigens mit einer großen Portion "Tamerlano", und Auszügen aus der Partie des Bajazet, in der Villazons Mentor Placido Domingo unlängst in Washington und Madrid aufgetreten ist. In Madrid war Paul McCreesh Domingos Partner am Dirigentenpult, und McCreesh mit seinen Gabrieli Players, einem der weltweit angesehensten "Originalklang"-Ensembles, ist auch für Rolando Villazon die instrumentale Stütze bei dessen Händel-Platte.

Der geborene Händel-Tenor?

Wenn jemand mit Donizetti, Verdi, Gounod, Massenet große Karriere gemacht hat, liegt die Frage auf der Hand: Kann denn Villazon das, Händel singen? Puristen werden diese Frage vielleicht anders beantworten als "normale" Opernfans, die staunen dürfen, wie beweglich Villazons Stimme auch koloratur-gespickte Arien durchsegelt - den einen oder anderen kehlig geratenen Ton mag man als "persönliche Note" werten.

Hörbar gut tut es dem Tenor, die Stimme vor Mikrophon "klein" zu halten und kein 3000-Sitzplätze-Haus füllen zu müssen. Was wir uns jetzt wünschen, ist die Probe aufs Exempel. Placido Domingo hat Rameau gesungen und Mozarts Idomeneo. Wer bringt als Erster Rolando Villazon als Händels Xerxes auf eine Bühne?

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 29. Januar 2009, 15:06 Uhr

CD-Tipps
Soile Isokoski, "Scene d'amore", Ondine ODE 1126-2
Elina Garanca, "Bel Canto", DG 00289 477 7460
Rolando Villazon, Händel-Arien, DG 00289 477 8179

Links
Ondine - Soile Isokoski
Elina Garanca
Rolando Villazon