Das Weiße und das Schwarze

Überlebensmittel und Symbol

Die Geschichte des Brotes umspannt Jahrtausende. Diese Geschichte beinhaltet soziale und wirtschaftliche Beziehungen, Kriege, die um Getreide geführt wurden und Bräuche, die Kulturen geprägt haben. Brot steht für Versorgung und spirituelle Nahrung.

Es begann vor etwa 15.000 Jahren, als im Gebiet des "Fruchtbaren Halbmondes" im Nahen Osten die ersten Sesshaften begannen, Wildgräser zu sammeln. Sie zerstießen die Körner und vermengten sie mit Wasser zu einem Brei. "Man konnte diesen Brei entweder gleich essen oder zu einem Fladen drücken und in der Glut des Feuers backen", erklärt die Archäobotanikerin Marianne Kohler-Schneider von der Universität für Bodenkultur in Wien. Die ersten Bauern begannen dann, die widerstandsfähigsten Wildgräser auszuwählen und zu Getreide zu kultivieren.

Die Ägypter verfeinerten die Backkunst, bauten Öfen und erfanden den Sauerteig, der das Brot aufgehen ließ. Vor 2000 Jahren soll es im Land am Nil bereits 30 unterschiedliche Brotsorten gegeben haben. Auch in Europa gibt es Funde einer frühen Backkultur: Archäologen fanden in Twann am Schweizer Bielersee ein zur Gänze erhaltenes Sauerteigbrot, das 5.600 Jahre alt ist.

Brot aus Weizenmehl

Im mediterranen Raum war Weißbrot aus Weizenmehl ein Grundnahrungsmittel. Die Griechen und Römer huldigten ihren Brotgöttinnen Demeter und Ceres. Der Aufstieg des Römischen Reiches zu einer Weltmacht war in großem Maße mit einer gelungenen Getreidepolitik verbunden.

Brot, Wein und Öl waren auch die Zeichen des erstarkenden Christentums. Das Weißbrot aus dem Mittelmeerraum wurde zum religiösen und sozialen Symbol und eroberte den Norden Europas. Doch Weizen gedieh dort schlecht und brachte einen geringeren Ertrag als der robuste Roggen. Und so kam es, dass im Mittelalter die Farbe des Brotes die Stände schied: Das helle, kostbare "Herrenbrot" war nur den obersten Schichten vorbehalten, der Rest musste sich mit Brei und Schwarzbrot zufrieden geben.

Brot als Grundnahrungsmittel

Im Laufe des Mittelalters gewann das Brot nach und nach den Charakter eines Grundnahrungsmittels. In den Städten musste die stark wachsende Bevölkerung ernährt werden: Die erste Zunft, die entstand, war jene der Bäcker.

Im Mittelalter gab es auch die "Brotbeschauer", die über die Qualität und die Quantität des Brotes wachten. Wenn ein Bäcker zu leichte Brote buk oder das Mehl streckte, konnte er zu empfindlichen Strafen verurteilt werden. Das Bäckerschupfen wurde in Wien noch bis zum 18. Jahrhundert durchgeführt: In der Roßau lief die Menge zusammen, um zu sehen, wie der Beschuldigte in einen hölzernen Käfig gesetzt und in die Donau getaucht wurde.

Brot als Garant für Stabilität

Brot war Jahrhunderte lang das wichtigste Nahrungsmittel. Wenn der oberste Brotherr, der Kaiser oder König, sein Volk nicht mehr ernähren konnte, brach die Revolte aus. "Der Brotpreis kann als 'Sturmvogel der Revolution' bezeichnet werden", erklärt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Roman Sandgruber von der Universität Linz. Zahlreiche "Brotaufstände" prägten die Jahrhunderte.

Lange Zeit gaben Menschen einen Großteil ihres Arbeitslohnes aus, um Brot zu kaufen. Wenn Hungersnöte und Kriege ausbrachen, suchte man Ersatz in allen erdenklichen Varianten: Das Mehl wurde mit Gerste, Hafer und Bohnen gestreckt oder ganz weggelassen. Wurzeln, Gräser, Eicheln, Sägespäne und sogar Erde wurden beigemengt. All das diente nur einem Zweck: einen Laib in der althergebrachten Form backen zu können.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 2. Juli bis Donnerstag, 5. Juli 2007, 9:30 Uhr