Getötet durch Schalwellen
Lärmhölle Ozean
Die einst so poetisch beschriebene Welt der Stille in den Tiefen der Meere ist zur Lärmhölle geworden. Die akustische Meeresverschmutzung ist zu einer existenziellen Bedrohung für fast alle Meerestiere geworden. Am stärksten sind Wale betroffen.
8. April 2017, 21:58
Wale, Delfine und sehr viele andere Meeresbewohner sind auf die akustische Kommunikation angewiesen. Sei es zur Orientierung, zur Futtersuche, sei es um den Geschlechtspartner zu finden oder zum Warnen vor Feinden. Eine Theorie meint, es gebe Walarten, die ein globales ozeanisches Kommunikationsnetz haben. Sozusagen ein "Wal-Internet" aus natürlichen Tönen.
Keine andere Energie pflanzt sich unter Wasser so schnell und so effizient fort wie der Schall. Rund fünf Mal schneller als in der Luft. So haben zum Beispiel Bioakustiker nachgewiesen, dass der Ton eines Blauwals über eine Distanz von 3500 Kilometern reisen kann. Von Neufundland bis mitten in die Karibik. Blauwale können also über hunderttausend Kilometer hinweg miteinander kommunizieren.
Lärmbelästigung unter Wasser
Diese Kommunikation und viele andere Verhaltensweisen der Meeresbewohner werden von der zunehmenden akustischen Meeresverschmutzung erheblich beeinträchtigt. Denn was sich heute in der so genannten Welt der Stille abspielt, gleicht einem akustischem Horror. Seismische Untersuchungen, militärische Sonare und der Handelsschiffsverkehr produzieren rund um die Uhr einen Lärm, der das Leben von Walen, Delfinen und anderen Meerestieren zur Hölle macht. Dazu kommen Kreuzfahrtschiffe, Hunderttausende von Freizeitbooten und anderes. Alles in allem ein Lärm, der den Meeresbewohnern zuvor völlig unbekannt war. Und so hatten sie überhaupt keine Chance, sich im Laufe der Evolution dieser veränderten Umwelt anzupassen.
So sind zerstörte Hörorgane, innere Blutungen, Embolien, Lungenrisse, Gehörverlust, geschwächtes Immunsystem, zu wenig bis keinen Nachwuchs mehr nur einige der Lärmschädigungen, die bei Walen gefunden wurden.
Sonare und Schiffsverkehr
Militärische Aktivsonare zum Aufspüren von U-Booten gehören zu den Ohren betäubendsten Unterwasser-Lärmquellen. Wenn Wale in ihren Aktionsbereich geraten, tauchen sie im Schockzustand zu schnell auf und sterben an Lungenrissen, - embolien oder verlieren die Orientierung und stranden und sterben.
Vielleicht nicht ganz so laut, dafür aber flächendeckend, ist der alltägliche Schiffsverkehr. Es fahren heute drei Mal mehr Handelsschiffe als noch vor 75 Jahren. In den kommenden 20 Jahren wird mit einer Verdoppelung gerechnet. Um die 90 Prozent der Welthandelsgüter werden heute von Schiffen transportiert.
Diese großen Schiffe werden immer schneller und damit auch immer lauter. "Die Schiffsschrauben kavitieren. Das heißt, dass sich an der Propellerspitze ein Vakuum bildet und dieses fällt zusammen mit einem ungeheuren Lärm. Sagen wir so: als ob ein Düsenjäger durch die Schallmauer bricht", erklärt Dieter Paulmann von Noise Busters.
Das heißt, sie überdecken den Sprachraum der Wale und die Wale können nicht mehr kommunizieren, sie finden ihre Fressräume nicht und sie finden auch ihre Partner nicht mehr.
Die Airgun
Der allerlauteste Lärm, mit dem heute Meeresbewohner konfrontiert sind, sind seismische Hochenergie-Sonare, die zum Auffinden von Öl- und Gaslagern im Boden der Ozeane verwendet werden. Die so genannten Airguns geben alle paar Sekunden einen Schallschuss ab. Die reflektierten Signale vermitteln Informationen über die Bodenschätze. Diese Luftschüsse können eine unvorstellbare Schallenergie von bis zu 270 Dezibel erreichen. Das Mehrfache eines Düsenjet-Lärms.
"Wir wissen, dass die Bahnen, in denen diese seismischen Untersuchungen gemacht werden, total zerstört sind. Die Wale flüchten, alle andern Fische flüchten, die Fischer fangen nichts mehr. Es gibt Untersuchungen, dass selbst Seespinnen, also Krabben, nach vier Wochen unter dieser Lärmbelastung schon Veränderungen an ihren Eierstöcken und ihren Sensoren haben", erklärt Paulmann.
Unter dem akustischen Unterwasserterror leiden also nicht nur Meeressäuger. Man kann davon ausgehen, dass es fast alle Meeresbewohner trifft. Denn fast alle Meerestiere sind akustisch orientiert.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 10. Juli 2007, 19:05 Uhr