Eine Reise in unbekannte Jazzlandschaften
Von Elfen und Trollen
Island und die Färöer haben manches gemeinsam: atemberaubende Landschaften, mehr Schafe als Menschen, den Fischfang als Haupteinkommen und eine Kultur- und Musikszene, die den Vergleich nicht scheuen muss. Davon zeugt nicht nur Pop-Diva Björk.
8. April 2017, 21:58
Eivor Pálsdóttir besingt ihre färöische Heimat
Björk als Jazzsängerin? Das ist nur eine von vielen kleinen Überraschungen, auf die man bei der Erkundung der isländischen Jazz-Szene stoßen kann. Bevor sie ihre Solokarriere begann, hat die eigenwillige Sängerin 1990 eine Platte mit isländischen Jazz-Schlagern aufgenommen - auf ihre extrovertierte Art.
Man staunt, wie gut das passt, und bedauert, dass Björk das Experiment nicht wiederholt hat. Aber dafür entschädigt sowohl auf Island wie auch auf den kleinen Färöern eine ungeahnte Menge hervorragender Gruppen und Solisten.
Eine quirlige Szene am Rand Europas
Wenn man heute mit dem Schiff in der färöischen Hauptstadt Tórshavn anlegt, dann hat man gar nicht den Eindruck, in einer Kleinstadt zu sein, die nur 13.000 Einwohner zählt. Hier gibt es nicht nur einen Flughafen und den größten Hafen der Inselgruppe (Tórshavn heißt wörtlich Thors Hafen), weiters einen Stadtpark mit dem einzigen Wäldchen der Inseln, sondern auch ein Kunstmuseum und das Kulturzentrum "Nordisches Haus", eine gemeinsame Kultureinrichtung der skandinavischen Länder. Es gibt einen Fernseh- und Rundfunksender, wo auch Film- und Musikproduktionen stattfinden.
In den letzten Jahren international bekannt geworden sind namentlich der Singer und Songwriter Teitur und die junge Sängerin Eivor Pálsdóttir, deren expressiver Gesang gern mit dem von Björk verglichen wird. Vaterfigur der Szene ist der Pianist Kristian Blak, ein gebürtige Jütländer, der die Färöer 1974 zu seiner Wahlheimat gemacht hat. Vor 30 Jahren gründeten er und weitere färöische Folk- und Jazz-Musiker das Label Tutl, das färöischer Musik eine Bühne bietet.
Bittere Armut, reiche Dichtung
Das weiter nördlich gelegene Reykjavík wirkt noch mehr wie eine Metropole. Mit seinen knapp 300.000 Einwohnern leistet sich Island eine Fülle an Kunst- und Kultureinrichtungen: National- und städtische Theater, Museen, eine Oper, ein Symphonieorchester - und an einer der Musikschulen kann man inzwischen auch Jazz studieren.
Viele Musiker, in Island nicht anders als anderswo, unterrichten im Brotberuf - und streikten in den letzten Jahren gegen Kürzungen, die auch auf Island den Kulturbereich betreffen.
Ausgezeichnete Chöre
Eine Stärke des isländischen Musiklebens ist die Vokalmusik: In kleinen und kleinsten Orten gibt es ausgezeichnete Chöre und wird bei allerlei Anlässen gesungen - wie wohl seit tausend Jahren. Die große Armut bis ins 20. Jahrhundert hinein mag historisch dafür mitverantwortlich sein: Weit mehr als materielle Zeugnisse, Gebautes oder bildende Kunst diente Gesungenes, Gesprochenes und Geschriebenes der Erinnerung. Literatur und Lyrik genießen höchstes Ansehen, als besondere Herausforderung gilt es, isländische Dichtung zu vertonen.
Vom Troll verzaubert
So modern der Alltag auf Island und den Färöern auch ist - den starken Volkswirtschaften sei Dank -, so lebendig bleiben die nordischen Mythen und Sagen. In den Hügeln wohnen Elfen, in bizarren Felsformationen sind Trolle verborgen.
Themen, die in der Musik gern aufgegriffen werden. So versetzt Eivor Pálsdóttir sich gelegentlich musikalisch in "verzauberte" Zustände. Kristian Blak hat unter anderem der nordischen Tierwelt (und den damit verbundenen Mythen) einen Zyklus gewidmet - in dem ebenfalls eine Troll-Ballade nicht fehlt.
Hör-Tipps
Jazztime, Dienstag, 10. Juli 2007, 21:30 Uhr
Jazztime, Dienstag, 24. Juli 2007, 21:27 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Links
Kristian Blak
Eivor Pálsdóttir
12 tónar - Isländisches Jazz-Label
Tutl - Färöisches Jazz-Label