Was zählt am Ende: Das Gewehr oder die Hand?
Das Schweigen der Waffen
Unlängst konnte man den montenegrinischen Medien entnehmen, dass im Zuge einer großen Entwaffnungsaktion - ebenso euphorisch wie euphemistisch "Demilitarisierung Montenegros" genannt - der erste T-55-Panzer zerstört werden soll. Das ist nicht mehr als eine Geste.
8. April 2017, 21:58
Im ehemaligen Jugoslawien waren es gerade die Montenegriner, die mehr als andere mit ihren Waffen assoziiert wurden. Seine Flinte oder seine Pistole zu verlieren, war das Schlimmste, was einem wahrhaft ehrenvollen Mann passieren konnte. Umso erstaunlicher ist, dass augenblicklich gerade in Montenegro eine große Abrüstungsaktion stattfindet.
Das erste "Opfer" dieser Demilitarisierungsaktion, die vom montenegrinischen Verteidigungsministerium geleitet wird, war ein alter T-55-Panzer. Man wollte der Welt zeigen, dass Montenegro heute zu den Staaten gehört, die in einer noch immer nicht ganz ruhigen Region bereit sind, sich von den Waffen zu verabschieden.
Der T-55 war einer der populärsten Panzer des ehemaligen "Ostblocks". Entwickelt in den späten fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, diente der T-55 in vielen Einsatzgebieten. Zuletzt waren es die Kriege, die zum Zerfall Jugoslawiens führten. Man kann sicher sein, dass auch gerade dieser eine Panzer auf Menschen des einmal gemeinsamen Staates Jugoslawien, etwa in Dubrovnik oder Vukovar, geschossen hat.
"Der Sieg"
Anfang Juli hat eine montenegrinische Tageszeitung mit dem symbolträchtigen Titel "Der Sieg" ("Pobjeda") über die Aktion berichtet. Ihr zufolge kostet die ganze Abrüstungsaktion 6,2 Millionen Dollar und wird bis zum 23. Juli 1007 dauern. 61 Panzer des Modells T-55 sollen verwertet werden. Das Geld, das man mit ihrem Schrott verdient, wird für die weitere Vernichtung von Munitionsüberschüssen aufgewendet.
Der stellvertretende Generalstabschef der montenegrinischen Armee, Dragan Samaryic, betont, dass die Beseitigung des Waffenüberschusses, gemeinsam mit der sicheren Verwahrung der Waffen, im Prozess der Verteidigungsreform von Montenegro Priorität besitze - und fast klang es, als ob man die verschrotteten Waffen nicht abbauen, sondern durch neue, den NATO-Standards entsprechende, ersetzen würde.
Paraskeva Badescu jedenfalls, die Leiterin des OSCE-Büros in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, begrüßte diese Prozesse im Interesse der Sicherheit von Menschen und Umwelt. Auch Garet Tankosic Keli, Stellvertreter des UNDP in Montenegro, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, lobte die Regierung von Montenegro für diese Geste des Friedens und der Versöhnung gegenüber den Nachbarländern Bosnien und Kroatien, wo gerade diese Panzer im Einsatz waren.
Der Stolz der Männer
Im Jahr 1847 schrieb der serbische Dichter und Kirchenfürst Petar II. Perovic Njegos das Epos "Der Bergkranz". Es gilt als das wichtigste und bedeutendste Werk in serbischer Sprache und zählte im ehemaligen Jugoslawien zur Schullektüre. Darin lässt er Vuk Mandusic, den Helden seiner Dichtung, das Gewehr im Kampf verlieren. Sein Held klagt darüber, und ihm zum Trost sagt der Dichter: "In den Händen von Vuk Mandusic / ist jedes Gewehr tödlich."
Wenn also nicht die Waffe, sondern der Mann hinter dem Gewehr zählt, geht es schon in Ordnung, den T-55 zum alten Eisen zu werfen, aber es sollte ihn kein neuer "T" oder etwas Ähnliches ersetzen.
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Pobjeda