Eine Frage der Sprache
Oper auf Deutsch
Während "Opera in English" in England zu den Bestsellern im CD-Handel zählt, haftet in unseren Breiten deutsch gesungener Oper ein Geruch von Provinzialität an. Dabei gab und gibt es prominente Befürworter landessprachlicher Aufführungen.
8. April 2017, 21:58
"Guillaume Tell" und "Don Carlo" auf Deutsch
Als am 28. April 1966 die heute noch am Spielplan der Wiener Staatsoper stehende Rennert-Inszenierung des Rossini-Barbiers erstmals über die Bühne ging - auf Deutsch -, da gab es bereits nach dem ersten deutsch gesungenen Wort einen erbosten Zwischenruf: "Rossini auf Deutsch - eine Schande!"
Zwei Jahre nach Ende des Karajan-Regimes galt eine italienische Oper in der Landessprache also bereits als Provokation. Schließlich hatte der internationale Maestro seine Botschaft ganz klar verkündet: Jeden Tag die besten Künstler der Welt auf der Bühne der Staatsoper, natürlich im Original, das Gleiche an der MET, an der Scala, am Covent Garden, in Paris, möglichst gleich unter zentraler Leitung.
Originalsprache dominiert
Zweifellos, eine beeindruckende Vision, nur in der Praxis absolut undurchführbar, wie er am Ende seines Lebens selbst zugeben musste. Der Traum zerplatzte, die eigenständigen Ensembles zerfielen, heute wird selbst in den kleinsten Theatern des ehemaligen Ostblocks selbstverständlich in der Originalsprache gesungen, nur klingt es meistens nicht original-italienisch oder original-französisch.
Wahre Authentizität wurde selbst in Italien längst zu Grabe getragen, durch fallweise fast grotesk-unidiomatische Besetzungen aus den virtuellen Karteikästen einflussreicher Agenturen.
Quälen mit "Parsifal"
Was würden die großen Komponisten zu den snobistischen Verhaltensweisen unserer Zeit wohl sagen? Wagner beispielsweise wäre kaum zufrieden, würde etwa ein italienisches Publikum fünf Stunden mit einem deutsch gesungenen "Parsifal" gequält, ohne dabei auch nur einen Bruchteil wirklich verstehen zu können. Da nützen nämlich die besten Über- oder Untertitelungssysteme nur wenig, wenn das Wort nicht direkt ins Herz dringen kann.
Auch Puccini hat etwa Lotte Lehmann oder Maria Jeritza weit mehr geschätzt als die meisten ihrer italienischen Kolleginnen und hat sich gar nicht daran gestoßen, dass beide seine Werke vorwiegend deutsch gesungen haben. Oder Verdi: Selbstverständlich hat er zum Beispiel für Paris immer wieder eigene Fassungen erstellt und überwacht.
Was singen die Sänger?
Außerdem konnten sich diese großen Meister damals kaum vorstellen, dass ihre Werke einmal in aller Welt fast nur mehr im Original aufgeführt werden würden, unabhängig davon, ob das Publikum nun die Texte versteht oder nicht, oder - noch schlimmer -, dass auch viele Sängerinnen und Sänger oft kaum wissen, was sie da im Detail singen.
Landessprachliche Aufführungen
Dabei gab und gibt es immer wieder prominente Befürworter landessprachlicher Aufführungen: Marcel Prawy war einer, und auch der derzeitige Wiener Operndirektor hat oft seine diesbezügliche Vorliebe betont. Eine italienische oder französische Oper aber einmal auf Deutsch zu spielen, das hat er dennoch nicht gewagt.
Andererseits haben wir an der Staatsoper zwei verschiedene Don-Carlos-Versionen - italienisch und französisch -, dafür sogar zwei (!) unterschiedliche Inszenierungen, für die literarisch hochwertige (deutsche) Werfel-Fassung des Don Carlos aber ist leider kein Platz. Lediglich Janaceks "Jenufa" wurde im Haus am Ring bei der letzten Premiere entgegen dem internationalen Trend doch auf Deutsch gegeben.
Volksoper bekennt sich zu Deutsch
Man muss aus dieser Frage nicht unbedingt einen Glaubenskrieg machen: Beide Standpunkte haben durchaus ihre Berechtigung und bei den drei Opernhäusern, die wir in Wien haben, sollten verschiedene Varianten möglich sein.
Erfreulicherweise hat sich ja die neue Volksoperdirektion ausdrücklich zu rein deutschsprachigen Aufführungen bekannt, vielleicht gibt es also diesbezüglich auch bei uns bald eine Renaissance, ähnlich wie in London, wo Covent Garden immer in der Originalsprache spielt und die English National Opera grundsätzlich auf Englisch, was ebenso am Tonträgermarkt erstaunlichen Niederschlag gefunden hat.
Eine Frage der Übersetzungsqualität
Es geht nicht nur um die Frage "Original oder Übersetzung", es kommt sehr viel auch auf die Qualität einer Übersetzung an. Vielleicht nicht unbedingt auf die literarische (die ist ja auch bei den Originalen oft zweifelhaft!), noch wichtiger ist hier stets die musikalische Qualität, die Singbarkeit, der Klang, der aus einer Übersetzung bzw. Nachdichtung entsteht.
Kurt Honolka beispielsweise hat sich seinerzeit sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und selbst so manche neue Übersetzung beigesteuert, mit der an sich guten Absicht, das von der Musik losgelöste, oft tatsächlich lächerlich wirkende Operndeutsch auszumerzen. Sein Erfolg auf diesem Gebiet aber war eher bescheiden. Nicht nur, dass dadurch populäre, liebgewordene Wendungen verschwanden, waren diese Texte oft einfach unmusikalisch und vor allem unsingbar, was genauso auf den ansonsten großartigen Regisseur Walter Felsenstein zutrifft, der sich ebenfalls um so manche textliche Neufassung bemüht hat.
Sänger müssen umlernen
Es wird also für die Volksoper keine leichte Aufgabe sein, einerseits geeignete Übersetzungen auszuwählen, andererseits aber auch stets Sängerinnen und Sänger an der Hand zu haben, die gerade diese Version beherrschen oder willens sind, sie eigens für eine Volksopernproduktion einzustudieren.
Trotzdem lohnt es sich, in dieser Frage nicht aufzugeben. Nichts kann den Eindruck eines Musiktheaterwerkes übertreffen, als der direkte Zugang in die Seele des Zuhörers.
Hör-Tipps
Apropos Oper, Dienstag, 14. August 2007, 15:25 Uhr
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