Vom Schwarz-Weiß-Blatt zum Kultmagazin
Rolling Stone - 1000 Cover
Was haben Bruce Springsteen, Bob Dylan, Madonna, Prince, David Bowie und Eminem - außer der Tatsache, zu den größten Popmusikern aller Zeiten zu gehören - gemeinsam? Richtig! Sie alle waren bereits auf dem Cover des "Rolling Stone" zu sehen.
8. April 2017, 21:58
Als das Magazin 1967 startete, verstand ich nicht, wie wichtig ein Cover war, und all die Dinge, die es bewirken konnte. Es definiert nicht nur die Identität eines Magazins, sondern bestimmt größtenteils den Verkauf und verleiht zudem der Person auf dem Cover einen besonderen Status. Das Cover der ersten Ausgabe vom 9. November 1967 war ein wunderbarer, aufschlussreicher Unfall.
Der Berkeley-Student Jann S. Wenner brachte an diesem Tag gemeinsam mit dem Musikjournalisten Ralph Gleason den "Rolling Stone" erstmals heraus. Der sah aus wie eine ganz normale Großformat-Zeitung in schwarz-weiß, das Logo war ein unfertiger Entwurf eines befreundeten Psychedelic-Künstlers, und als Titelbild diente ein Werbefoto von Richard Lesters Film "Wie ich den Krieg gewann" mit John Lennon als pfeifenden Soldaten mit Nickelbrille und Helm. Für Wenner war diese Ausgabe eine "Prophezeiung", spricht das Bild doch Bände über die Verschmelzung von Musik, Film und Politik, die den "Rolling Stone" fortan prägen sollte.
Legendäre Lennon-Covers
Die Autoren, Fotografen und Grafiker hatten einen großen Vorteil: Sie lebten genau das gleiche Leben wie ihre hauptsächlich musikalischen Vorbilder, verstanden deren "Message" und hatten dadurch einen zumeist sehr unkomplizierten Zugang zu den Stars der Sixties. Zudem musste man damals selbst auf dem Weg zu den Größten der Branche kaum Hindernisse wie PR-Manager, Image-Berater oder Pressesprecher überwinden. So konnte auch eines der berühmtesten Cover entstehen: John Lennon und Yoko Ono - nackt, 1968.
Wie eng die Bindung zwischen den "Rolling Stone"-Machern und den darin Porträtierten war, beweist ein weiteres Cover mit John Lennon und Yoko Ono. Am 8. Dezember 1980 begrüßen sie die Fotografin Annie Leibovitz wie eine alte Freundin zu einer Fotosession in ihrem New Yorker Apartment. Nach getaner Arbeit wählen die beiden ein Polaroid-Testfoto, das den nackten Lennon in embryonaler Stellung eng an Ono geschmiegt zeigt, als Titelfoto aus. In derselben Nacht wird der Ex-Beatle vor seiner Haustüre erschossen. Das Cover zeigt schließlich nur das berührende Foto und kommt völlig ohne Kommentar aus.
Spielwiese für ungewöhnliche Leute
Der größte Fan des "Rolling Stone" ist wohl der Sänger der "Rolling Stones" Mick Jagger. Seine Leidenschaft ging sogar so weit, dass er bei Wenner intervenierte, als dieser 1980 den markanten Titel-Schriftzug änderte. Seiner Meinung nach nahm die neue, modernere Variante viel von der ursprünglichen "Flippigkeit" des gesamten Erscheinungsbildes. Der Chef reagierte prompt und fügte die berühmten Schnörkel an den Buchstaben wieder ein.
Der "Rolling Stone" zeigt nicht nur Stars, er wird auch von Stars gemacht. Er war erste Ausbildungsstätte und schillernde Bühne für Stil prägende Fotografen wie Annie Leibovitz, Richard Avedon, Herb Ritts oder David LaChapelle, aber auch Spielwiese für außergewöhnliche Journalisten wie etwa Hunter S. Thompson. In oft nur sehr kurz gehaltenen Bildkommentaren halten sie fest, wie es zur Entstehung Aufsehen erregender Fotos oder Artikel gekommen ist.
Der knapp 600 Seiten starke Prachtband "Rolling Stone - 1000 Cover" zeigt auf sehr übersichtliche und komplette Weise den Weg des einstigen Hippie-Fanzines zur einflussreichsten Zeitschrift der Popkultur. Von Jim Morrison bis Kurt Cobain, von Janis Joplin bis Madonna, von U2 bis Johnny Cash - alle Rock- und Popgiganten sind hier vereint.
Chronik von Rock und Pop
Ich glaube, die meisten Leute sehen mich als einen liebenswerten Trottel an, als einen freundlichen Idioten. Ich bin wohl ein Opfer der Verhältnisse.
Zitate wie dieses von "The Who"-Schlagzeuger Keith Moon, sowie zahlreiche Anekdoten, Artikelauszüge und Kurzkommentare machen das Buch zu einer umfassenden Chronik des Rock'n'Roll und anderer Pop-Phänomene der letzten 40 Jahre. Dass sich das Blatt auch politisch kein Blatt vor den Mund nimmt und vor allem markiert, auf welcher Seite es steht, beweisen Interviews mit Bill Clinton bis Michael Moore und Gastschreiber wie Robert Kennedy Jr., der seine Anti-Bush-Haltung eindrücklich zum Ausdruck bringt.
Federführend agiert das 14-tägig erscheinende amerikanische Kult-Magazin auch bei so genannten Hit-Listen. Im Dezember 2004 kürte man die "500 größten Songs aller Zeiten". Ob Zufall, Ironie oder Marketing-Gag - der Sieger heißt Bob Dylan mit dem Lied "Like a Rolling Stone"!
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipps
"Rolling Stone - 1000 Cover. Die Geschichte der einflussreichsten Zeitschrift der Popkultur", mit einem Vorwort von Gründer und Herausgeber Jann S. Wenner, übersetzt von Thorsten Wortmann und Madeleine Lampe, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, ISBN 978-3896027368
Greil Marcus, "Like a Rolling Stone", aus dem Amerikanischen von Fritz Schneider, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN 3462034871
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