Falsch verstandene Liedtexte
Die größten Ohrenirrtümer
Seit Axel Hacke das erste Mal darüber schrieb, wie oft Liedtexte falsch verstanden werden, riss die Flut der Leserbriefe nicht ab, in denen "Betroffene" von ihren falsch verstandenen Liedtexten berichteten. Welches Lied ist "I Believe In Knuckles"?
8. April 2017, 21:58
Was hören Sie?
Es gibt einen alten Hit von Hot Chocolate, dessen Refrain heißt: "I believe in miracles, since you came along, you sexy thing". Wahre Wunder erleben kann man, wenn man sich mit falsch verstandenen Liedtexten beschäftigt.
Und ich bin mir sicher, dass die blühende Phantasie auch bei ihnen diesbezüglich gewuchert hat. Ich habe immer gesungen "I believe in Malcolm", andere wieder "I believe in milkbones", "knuckles" (also Knöchel), "milkballs" oder "myrtle". Sehr schön ist der richtig gehörte Anfang, aber dann statt "you sexy thing" - "you saxophone".
Dazu da, falsch verstanden zu werden
"Im Grunde versteht kaum ein Mensch je einen Liedtext richtig, ja Liedtexte sind überhaupt nur dazu da, falsch verstanden zu werden. Aufgabe eines Liedtexters ist es, den Menschen Material zu liefern, damit ihre Phantasie wirken kann", so Axel Hacke, Autor und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung.
Er hat zwei kleine Handbücher des Verhörens zusammengestellt, in dem der Leser und die Leserin wunderbaren Traumgestalten und Phantasiefiguren begegnen - wie dem "Erdbeerschorsch", dem "Timo Beil", natürlich dem "Owie lacht" aus "Stille Nacht", dem "kleinen Gartenoffizier" oder dem "weißen Neger Wumbaba". So lautet denn auch der Titel des ersten Handbuchs akustischer Fehlleistungen. Wer kann das sein?
"Der weiße Neger Wumbaba"
Dieser Verhörer wurde fälschlich abgeleitet von "Der weiße Nebel wunderbar" aus dem Gedicht "Der Mond ist aufgegangen" von Matthias Claudius.
Axel Hackes "Kleines Handbuch des Verhörens" war so erfolgreich, und der Autor wurde mit einer solchen Flut von Leserbriefen überhäuft, dass er ein zweites Büchlein mit Verhörern folgen ließ. "Ich war nahe daran, zu denken", so Hacke, "das Buch habe ein Virus freigesetzt, das Wumbaba-Virus nämlich. Was für eine egozentrische Denkweise! Das Virus ist schon seit langer Zeit unterwegs." Und Hacke erwähnt in diesem Zusammenhang Dr. Kurt Ostbahn alias Ostbahn-Kurti alias Willi Resetarits, der in "Trost und Rat" auf Radio Wien schon in den 1990er Jahren Verhör-Hits zum Besten gab.
Der war auch dabei: "Der Riese haust in New Orleans". Welches Lied damit gemeint ist, hören Sie in unserem Audio.
Besser als das Original
Viele der unfreiwilligen Sprachschöpfer und Sprachschöpferinnen sind der Meinung, sie fänden ihre falsch verstandenen Liedtexte besser als das Original.
Popsänger Doug Ingle von Iron Butterfly hat daraus Konsequenzen gezogen. Eigentlich sollte die Platte "In-A-Gadda-Da-Vida" einen anderen Namen tragen: "In the garden of Eden". Der Schlagzeuger Ron Bushy fragte nach dem Titel, verstand ihn falsch und schrieb In-A-Gadda-Da-Vida unter die Noten. Dabei ist es geblieben. Keine schlechte Entscheidung.
Fräulein Verstanden
1977 landete Santa Esmeralda einen Hit mit dem Text: "I’m just a soul whose intentions are good, oh Lord, don’t let me be misunderstood". In einem der zahlreichen Internetforen zum Thema war der Hörfehler zu lesen: "O Lord, don’t let me be Miss Understood", also: "Bitte, lieber Gott, lass mich nicht Fräulein Verstanden sein".
Hörfehler bei englischen Popsongs haben natürlich auch damit zu tun, dass wir mit dem Englischen oder Amerikanischen der Popmusik mitunter überfordert sind. Mir ist während des Zitierens einer sehr kreativen Version von Bob Dylans "Blowin in the wind" auf Ö1 gleich ein weiterer unterlaufen. Der Refrain lautet richtig: "The answer my friend is blowin' in the wind", "die Antwort mein Freund, weiß ganz allein der Wind" und ich wollte von den Ameisen erzählen, die meine Freunde sind, habe aber statt Dylans näselnder amerikanischer Diktion von "answer" aus den "ants", den Ameisen, "aunts" - Tanten - gemacht. Ein aufmerksamer Hörer hat mich per E-Mail darauf hingewiesen. Noch mal herzliches Dankeschön dafür!
Haarige Haare
Ein weiterer Verhörer: Statt "While combing my hair now, and wondering what dress to wear now" - "ich kämme mein Haar und überlege, was ich anziehen soll", wie es in der zweiten Zeile in Burt Bacharachs "I Say A Little Prayer For You" heißt, hat jemand Dionne Warwick singen hören: "Walk home in my hair now" - "ich gehe in mein Haar gehüllt nach Hause".
Der "King of Wumbaba"
Auch deutsches Liedgut ist bestens geeignet für einfallsreiche Textneudeutungen. Axel Hacke nennt Herbert Grönemeyer den "King of Wumbaba". Zum Beispiel der Song "Bochum". "Warum Afrika", rätselt eine Hörerin, "wahrscheinlich ein Hinweis auf die Bergleute, die nach der Schicht den Schacht verlassen und wegen des Kohlestaubes aussehen wie Afrikaner". In Wahrheit singt Grönemeyer aber nicht "Bochum, ich häng an dir, Afrika, Afrika" sondern nuschelt: "Auf, Glück auf!"
Nur ein Medizinstudent konnte aus der Zeile "A girl with kaleidoscope eyes" für sich "A girl with colitis goes by" machen. Warum um alles in der Welt sollten auch maybe drogenumwölkte Beatles-Gehirne die Lucy mit einer Colitis, einer Dickdarmentzündung, vorbeispazieren lassen?
Ein spanischer Grande
Der letzte Song in unserem Audio ist "Words, don’t come easy". Ein Hit von F.R. David. Irgendwer hat aus "don’t come easy" einen spanischen Grande namens "Don Kamisi" gemacht. Ja es ist nicht eben einfach mit den Worten.
Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 22. Juli 2007, 17:30 Uhr
Buch-Tipps
Axel Hacke, "Der weiße Neger Wumbaba. Kleines Handbuch des Verhörens", Kunstmann, ISBN 9783888973673
Axel Hacke, "Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück. Zweites Handbuch des Verhörens", Kunstmann, ISBN 9783888974670
Links
The Archive of Misheard Lyrics (http://www.kissthisguy.com)
Axel Hacke