Die Magie der Begriffe

Balkanika

Das Filmarchiv Austria präsentiert in diesem heißen Sommer ein umfassendes Programm, das den Filmen vom "Balkan", wie die Gegend pittoresk genannt wird, gewidmet ist. Trotz dieser unpassenden Betitelung ist die Reihe sehr zu empfehlen.

Es ist selten ein Begriff zu finden, der so viele Kontroversen auslöst, wie der Begriff "Balkan". Im politischen Sinn fällt "Balkan" als Definition aus und man versucht auf alle möglichen Arten und Weisen der "Balkanisierung" auszuweichen. Man kann sagen, dass die Verwendung und sogar das Assoziieren einer Person mit dem Balkan heutzutage fast eine Beleidigung darstellt.

Balkantorte

Etwas ganz anderes ist es, wenn es um Musik und Filme aus dem Gebiet "Balkan" geht. Auf einmal ist der Begriff eine magnetische und eine ausgezeichnete, für das Marketing wichtige Kraft. Die besten Resultate erreicht man, wenn sich Musik und Film in einem Werk zusammenfinden - sozusagen eine filmisch-musikalische "Balkantorte".

Man erfindet verlockende Titel für Veranstaltungen und wie durch Zauber verwandelt sich ein bis dato kaum erträgliches Gebiet in einen Raum der Wunder; man verehrt die wilden Menschen wegen ihrer Leidenschaft und "Naturalität". Der Balkan wird auf einmal zum Ort der Wunder und Magie erhoben. Nur: Warum die Menschen noch immer aus diesem Wunder weggehen, bleibt unbeantwortet.

Ein Mexikaner als Balkansymbol

Es ist kein Zufall, dass das Filmarchiv Austria für seine zwei großen Balkanfilm-Retrospektiven (2000 und 2007) Anthony Quinn als Plakatsujet auswählte. Der Mexikaner irischer Abstammung verkörpert in sich alles, was man vom Balkan erwartet. Nicht ohne Grund kam durch die Rollen der marginalen, primitiven und gewalttätigen Typen seine Karriere in Schwung.

Quinn wirkt griechischer als jeder authentische Grieche und ist - wegen seiner Rolle als Alexis Sorbas - jedem Filmliebhaber bekannt.

Zwei Wellen des jugoslawischen Films

Schon die zwei ausgewählten Autoren, die eine Retrospektive durchaus verdient haben, machen klar, um welche Vielfältigkeit es geht, wenn man über den Balkan spricht. Dusan Makavejev vertritt eine Gruppe von Autoren, die mit ihren Filmen tief in die Gesellschaf blicken ließ und mit ihren Filmen dieser Gesellschaft einen Spiegel vorhielt.

Nicht nur deswegen wurden im ehemaligen Jugoslawien diese Autoren unter dem Namen "die schwarze Welle" des jugoslawischen Films bekannt. Nach einem Höhenflug wurde diese Welle mit politischen Mitteln ausradiert. Die Nachfolger dieser Gruppe kann man als die "rosa Welle" bezeichnen. Die Kinematographie verlor ihre Schärfe und trotz der noch immer vorhandenen gesellschaftlichen Kritik drang diese nie in die Tiefe.

Besonderer Stellenwert für Emir Kusturica

Die 1960er Jahre waren die Zeit eines überall verspürbaren Liberalismus' der jugoslawischen Gesellschaft und der Autoren der "schwarzen Welle". Diese haben sich, an die neue Freiheit glaubend, in ihren Filmen "verspielt", was ihr Ende bedeutete.

Die nachfolgenden Autoren haben aus der Erfahrung und dem Schicksal der "schwarzen" Autoren schnell gelernt und sie prägten den jugoslawischen Film bis zum blutigen Ende von Jugoslawien. Im formalen Sinne zeigte sich das in einer Rückkehr zu linearer und anekdotischer Darstellung. In dieser Gruppe der sicher filmisch sehr begabten Autoren hat Emir Kusturica einen besonderen Stellenwert erlangt. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde er zum filmischen Symbol der ganzen Region.

Probleme mit der Finanzierung
Trotz einzelner Ausflüge in die internationale Filmindustrie haben die "schwarzen" Autoren immer mit Problemen der Finanzierung ihrer Projekte gekämpft. Ihre hartnäckige Obsession, die dunklen Seiten des Lebens zu zeigen, konnte keinen kommerziellen, geschweige denn propagandistischen Erfolg garantieren. Einfacher gesagt: Sie waren nicht "exotisch" und nicht "mystisch" genug. Den Erfolg hatte der talentierteste Autor der zweiten Gruppe: Emir Kusturica.

Was ist eigentlich "Balkan"?

Welches ist aber nun das wahre Bild vom "Balkan"? Nun, was Wunder und Magie betrifft, kann man behaupten, dass "Balkan" kein Wunderort und kein magisches Gebiet ist. Hinter den "leidenschaftlichen" Menschen, der "temperamentvollen" Musik und den magischen Geschichten verbergen sich ganz einfache, jedoch oft gewalttätige Ereignisse - wie überall auf der Welt.

"Balkan", was immer der Begriff umfasst, ist ein Ort, der mehr in den Vorstellungen der Betrachter existiert als bei den Bewohnern. Die "Balkanmenschen" leben keine Wunder, sie versuchen zu überleben.

Veranstaltungs-Tipp
"Balkan.Kino.Welt - Das Leben ist ein Wunder", bis 19. August 2007, Open Air im Augarten, 20. August bis 14. Oktober 2007, Metro Kino

Link
Filmarchiv Austria