Der Komponist und Musikwissenschafter Egon Wellesz

Der vertraute Unbekannte

Seinen Namen kennt man. Aber wer hat schon wirklich Musik von ihm im Ohr? Dabei gehörte er am Beginn des 20. Jahrhunderts zu den meistgespielten Komponisten im deutschsprachigen Raum. Mit den musikalischen Größen seiner Zeit war er auf Du und Du.

Zwei Erlebnisse waren es, die Egon Wellesz für die Musik entflammen ließen: eine Aufführung von Ludwig van Beethovens 9. Symphonie und die Vorstellung des "Freischütz" von Carl Maria von Weber. Beide musikalischen Ereignisse beeindrucken den damals 14-Jährigen tief.

"So sehr drängte es mich, Musiker zu werden, dass ich anfing, ohne Hilfe und Unterricht die Grundlagen des musikalischen Handwerks zu erlernen."

Zunächst lernte er als Autodidakt, später wurde er einer der ersten Privat-Schülern von Arnold Schönberg. Parallel dazu studierte er Musikwissenschaften in Wien bei Guido Adler.

Was seine Musiksprache anbelangt war Egon Wellesz in seinen Anfängen stilistisch von Gustav Mahler und Richard Strauss beeinflusst. Er beschäftigte sich aber auch mit Claude Debussy. Eine wichtige Rolle spielte selbstverständlich die zweite "Wiener Schule". Im Laufe der Zeit löste er sich von einer strengen Handhabung der Verfahrensweisen dieser Richtung. Sein Stil wurde "weicher". "Es ist mir wichtig, meinen musikalischen Vorstellung den entsprechenden Ausdruck in der einfachsten Formulierung zu geben, auf farbigen Ausdruck zu verzichten und die Instrumente möglichst in der besten Lage zu verwenden" so Egon Wellesz 1961.

In seinem Spätwerk kehrt der 1974 verstorbene Komponist allerdings wieder zu einer gewissen Strenge zurück. In seinen Werken prallen unterschiedlich gestaltete Musikblöcke aufeinander. Die Instrumente müssen immer wieder große Intervallsprünge bewältigen.

Opern und Ballette

Über 100 Opera hat der gebürtige Wiener geschrieben: darunter vier Ballette und sechs Opern. Die meisten seiner bühnendramatischen Werke schrieb er in den 20er Jahren. In dieser Zeit riss man sich in Deutschland förmlich darum, diese zur Uraufführung zu bringen. In Wien war das anders: Egon Wellesz zählte schließlich zur Avantgarde. Erst in den 30er Jahren gab Wien seine konservative Haltung auf. So wurde Egon Wellesz' Oper "Die Bakchantinnen" am 20. Juni 1931 an der Wiener Staatsoper unter Clemens Kraus uraufgeführt.

Ein scharfer Einschnitt in der Biografie von Egon Wellesz war die Machtergreifung Hilters in Österreich im März 1938. Glücklicherweise befand sich der damals 52-jährige Komponist im Ausland. Von einer Heimkehr nach Österreich wurde ihm dringend abgeraten. Als gebürtiger Jude, Verfasser von "entarteter Musik" und Monarchist war er dem Regime gleich drei Mal ein Dorn im Auge.

Aufgrund seiner guten Kontakte konnte Egon Wellesz in Oxford seine Karriere als Musikwissenschaftler fortsetzen. Aber die plötzliche Emigration hatte ihn traumatisiert. Erst nach einigen Jahren fing er wieder an zu komponieren. Dem Schreiben eines Musiktheaters widmete er sich aber dann nur mehr einmal. 1950 entstand seine Oper "Incognita".

Symphonische Musik

Ab 1945 begann er Symphonien zu schreiben. Bisher hatte er sich nicht an diese Form herangewagt, weil "ich zu ihr nicht die nötige Distanz gewonnen hatte, um etwa Eigenes darin zu sagen. Denn ich empfinde die Form der Symphonie nicht als etwas Starres, sondern als etwas höchst Lebendiges, das in jedem neuen Werk neu aus dem Inhalt erwächst und deshalb - für mich wenigstens - immer neuen Anreiz zur Gestaltung bietet." Zu seiner ersten Symphonie inspirierte ihn ein Spaziergang in einer Gegend in England, die ihn an Altaussee erinnerte. Acht weitere Symphonien sollten folgen: seine Neunte schrieb er als 86-Jähriger, also drei Jahre vor seinem Tod.

Hör-Tipp
Zeit-Ton, Dienstag, 14. August 2007, 23:05 Uhr

CD-Tipp
Egon Wellesz 3CD-Box. "Das Klavierwerk Ersteinspielung", Margarete Babinsky, Capriccio 67181 (3 CD)

Link-Tipp
Egon-Wellesz-Fonds