Grandiose PR vor der Premiere

Bayreuth am Beginn einer neuen Ära?

Sie ist die Hauptperson der Bayreuther Festspiele 2007: Katharina Wagner, die Tochter des rund 88-jährigen Langzeit-Festspielchefs und Richard-Wagner-Enkels Wolfgang Wagner, dessen "Wunschmaid" als Nachfolgerin und Regiedebütantin am "Grünen Hügel".

Der Festspiel-Eröffnungsabend am 25. Juli dieses Jahres wurde von den Kritikern aus aller Welt förmlich gestürmt. Würde Katharina Wagners "Meistersinger"-Regie stark, persönlich und "anders" genug sein, um sie Kandidatin für die Wolfgang-Wagner-Nachfolge bleiben zu lassen?

Bis vor kurzem ergoss sich regelmäßig Häme über die mit Puccini, Lortzing, aber auch schon Wagner zwischen Budapest, München und Berlin aktive Neo-Regisseurin, die mancher noch als "Kathi" an der Hand der Eltern vor dem Festspielhaus in Erinnerung hat...

Inkompetent und "geschoben"?

Vom Vater "geschoben", inkompetent im Vergleich mit Eva Wagner-Pasquier und Nike Wagner, die sich aus der älteren Wagner-Generation regelmäßig für künftige Festival-Aufgaben selbst ins Gespräch bringen? Die PR vor der "Meistersinger"-Premiere war grandios: Mit einer Serie Hochglanzfotos - ein Spiel mit den Parametern "blond", "jung", "lasziv", "dominant" - wurde der Presse gegeben, was sie willig schluckt, und dass Katharina Wagner neben den unzähligen Interviews, die sie vor ihrer Bayreuther Debüt-Inszenierung gewährt hat, noch Zeit zum Regieführen gefunden hat, beweist allein schon meisterliche Organisation.

"Meistersinger" in neuem Kleid

Nie, auch nicht bei Christoph Schlingensief, gab sich der "Grüne Hügel" so "heutig", mit einer Festspielchefin in spe, die privat nicht Wagner, sondern Shakira hört - und die Inszenierung bot dann auf den Punkt das vom Anlass Geforderte: Abklopfen dessen, was die "Meistersinger von Nürnberg" in der Bayreuth-Geschichte schon angerichtet haben; die Optik sehr wie so oft im Opernhaus des Jahres Stuttgart; das Stück dramaturgisch aufgedröselt wie fast bei Peter Konwitschny, aber nicht ganz; manche Pointen hart an der Geschmacks-Grenze, oder auch schon darüber.

Vom bayerischen Ministerpräsidenten abwärts musste man dieses Debüt eigen, aber diskussionswürdig finden. Wann hat es das zuletzt in Bayreuth gegeben?

Wie klingt der neue Wagner?

Musikalisch gerieten die "Meistersinger von Nürnberg" ... nun, ausbaufähig. Dirigent: Sebastian Weigle, einer aus dem "Stall" der Barenboim-Assistenten, demnächst GMD in Frankfurt am Main. Robert Dean Smith sollte ursprünglich Stolzing sein. Ihm war das Werk szenisch zu sehr gegen den Strich gebürstet, an seiner Stelle wurde Klaus Florian Vogt gerufen, der ätherische Lohengrin- und Parsifal-Tenor.

Wolfgang Wagner hat es vor 20 Jahren (mit Hermann Prey als Darsteller) selbst vorgemacht, wie man dem Beckmesser das Karikatur-Hafte austreibt. Katharina Wagner geht noch weiter und baut ihn als Lichtgestalt in dem Maß auf, in dem sie an Hans Sachs die unsympathischen Züge hervorkehrt. Auch sängerisch hat an diesem Abend Michael Volle als Beckmesser alle überzeugt, Franz Hawlata als Hans Sachs nur wenige.

Ein unerwartetes Debüt

Außerdem am sommerlichen Bayreuther Spielplan: Der von Christian Thielemann dirigierte "Ring", an dem weiterhin Tankred Dorsts Nicht-Inszenierung bemängelt wird, Christoph Schlingensiefs "Parsifal"-Bebilderung und der knallbunte "Tannhäuser" in Regie von Philippe Arlaud, den das Publikum nach wie vor am meisten liebt. Fabio Luisi hätte ihn dirigieren sollen, sagte aber wenige Stunden vor Probenbeginn ab: "Rückenschmerzen"!

In solchen Situationen schlägt nach wie vor die Stunde des Wolfgang Wagner, denn wer würde es sich sonst trauen, einen vollkommen namenlosen Thielemann-Assistenten namens Christoph Ulrich Meier aus dem Hut zu zaubern, der sonst irgendwo in Deutschland im Schuldienst tätig ist? Und dann legt dieser Christoph Ulrich Meier einen "Tannhäuser" hin, dass Publikum und Presse aus dem Staunen nicht heraus kommen. Wer den Jahr für Jahr von neuem fabelhaften Festspielchor und das in jeder Saison neu zusammengeschweißte Orchester auf seiner Seite hat, darf in Bayreuth auch derlei "Husarenritte" wagen.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 16. August 2007, 15:10 Uhr

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Bayreuther Festspiele