Mystische Großstadt

Der Mond und das Mädchen

Martin Mosebachs neuer Roman ist ein ironisches Großstadtbild und eine doppelbödige Liebesgeschichte zugleich. Die verzauberte Stimmung, gepaart mit Mosebachs behutsamer Erzählweise, erinnert an Shakespeares "Sommernachtstraum".

Martin Mosebachs neuer Roman spielt in Frankfurt, genauer: in einem etwas heruntergekommenen Haus aus der Gründerzeit irgendwo hinter dem Hauptbahnhof. In dieses Haus ziehen Hans und Ina, jung verheiratet und voller Erwartungen für die Zukunft. Hans hat beste Berufsaussichten in einer Bank und Ina freut sich darauf, die neue Wohnung einzurichten und ihrer Ehe den passenden Rahmen zu geben.

Mysteriöse Ereignisse

Irgendetwas stimmt nicht mit dem Haus und den gerade erst angemieteten Räumen. Im Schlafzimmer liegt eine tote Taube, die Autowaschanlage gegenüber scheint plötzlich zu verschwinden und Ina wird von seltsamen Träumen gequält. All dies belastet das junge Eheglück, wenn auch Ina zunächst versucht, die seltsamen Ereignisse zu ignorieren.

Dazu kommen die überaus merkwürdigen Bewohner des Hauses. Abdallah Souad etwa, der Hausmeister, dessen Mobiltelefon so etwas wie ein nach außen verlegter Herzschrittmacher zu sein scheint, ein äthiopischer Barbesitzer, die alternde Frau Mahmouni, die ihrer Vergangenheit nachtrauert, oder Barbara mit der Löwenmähne. Sie alle sitzen in den heißen Sommernächten im Hinterhof, um stundenlang über Nichtigkeiten zu reden - und gerade diese Passagen sind Martin Mosebach besonders leicht von der Hand gegangen:

"Dieses ganze Buch durchzieht so ein seltsam triviales Konzil dieser quasselnden plappernden Leute, die da nachts um zwei, um drei sitzen und da noch Bier trinken und die Hitze irgendwie aushalten, unter ihrem Bann stehen. Und diese Passagen, die haben mir besonderen Spaß gemacht", erzählt Martin Mosebach im Gespräch mit Irene Binal.

Keine Erklärungen

Ist es womöglich schwarze Magie, die dem Haus seine seltsame Atmosphäre verleiht? Immerhin wird behauptet, der Besitzer Urban Sieger habe den bösen Blick. Sind Geister am Werk - oder ganz menschliche Kräfte, wenn etwa Hans, der von den düsteren Schwingungen kaum etwas zu bemerken scheint, in der flirrenden Schwüle der attraktiven Nachbarin Britta zu verfallen droht?

Martin Mosebach liefert keine Auflösungen, sondern verlässt sich ganz auf Atmosphärisches: "Erklärungen bietet dieses Buch tatsächlich keine an. Es spielt mit einer Erklärungsweise, mit der man sich in der Vergangenheit, in der längsten Zeit der Geschichte der Menschen, seelische Prozesse versucht hat zu erklären, nämlich, dass die Kräfte, die den Menschen bestimmen, nicht aus ihm herauskommen, sondern dass sie von außen kommen", so Mosebach.

Wie ein "Sommernachtstraum"

Nicht ganz von ungefähr erinnert Mosebachs Roman an Shakespeares "Sommernachtstraum", einen modernen "Sommernachtstraum", in dem ein unsichtbarer Puck möglicherweise seinen Schabernack mit den Hausbewohnern treibt, was von Mosebach aber keineswegs beabsichtigt war.

"Es war mir nach einer Weile klar, das ist ja eigentlich ein 'Sommernachtstraum'-Stoff, die lähmende Hitze, diese Verzauberung, die Großstadt, die an die Stelle eines Waldes, des Ardenner Waldes tritt, die Verwirrung der Paare, die dämonische Verhexung der Paare, das hatte tatsächlich dann 'Sommernachtstraum'-Züge", erzählt Mosebach. "Es stellte sich dann heraus, dass sogar Titania und Oberon, die beiden Elfenfürsten, auf deren Streit der ganze 'Sommernachtstraum' beruht, hier nun auch in einer allerdings sehr grotesken Weise anwesend waren."

Behutsam erzählt

Die Phantastik des Romans wird noch unterstrichen von Mosebachs behutsamer Erzählweise und seiner sorgfältigen Sprache. "Der Mond und das Mädchen" ist wohl Martin Mosebachs leichtfüßigster Roman, ein schmales Buch mit nicht einmal 200 Seiten, das einen verwirrenden Reigen um Traum und Wirklichkeit lebendig werden lässt.

Hinter der verzauberten und manchmal beängstigenden Stimmung des Buches verbirgt sich aber auch eine reale Ebene und man mag die rätselhaften Ereignisse als Metapher für Inas Entwicklung sehen, die aus ihrem eigenen Traum als wohlbehütete Tochter erwachen und sich den Anforderungen des Lebens stellen muss.

Mehr zu "Ein Sommernachtstraum" bei den Salzburger Festspielen in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 19. August 2007, 18:15 Uhr

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Buch-Tipp
Martin Mosebach, "Der Mond und das Mädchen”, Hanser Verlag, ISBN 9783446209169