Von Hank Williams bis Steve Earle
Country fern aller Klischees
Sänger wie Lyle Lovett gehören nicht zum Nashville-Establishment. Lovett ironisiert die übersteigerte klischeehafte Heimatverbundenheit des Genres. Einer der Vorbilder war Townes van Zandt, der auch Vertreter des "Alternative Country" beeinflusste.
8. April 2017, 21:58
Steve Earle "John Walker's Blues"
Lyle Lovett wurde in der Stadt Klein in Texas geboren, die sein Ur-urgroßvater, Adam Klein, ein deutscher Immigrant, mitgegründet hat.
Lovett ist dort aufgewachsen und lebt seit 50 Jahren dort. Er trägt stets Cowboyschuhe und Cowboyhut. Er hat einen Universitätsabschluss in Deutsch und Journalismus und in zwölf Spielfilmen - unter anderem in vier von Robert Altman - mitgewirkt.
Heimatverbundenheit ironisiert
Spätestens an dieser Stelle der Biografie ahnt man, dass Lovett wohl nicht zum Nashville-Establishment gehört, im Gegenteil, in seinen Songs ironisiert er übersteigerte klischeehafte Heimatverbundenheit: In: "Don't Touch My Hat" lobt er: "Niemals Beschwerden, niemals Geschrei, schaut großartig aus und passt ganz genau zu mir. Wenn du meine Frau willst, das ist mir egal, aber: Greif meinen Cowboyhut nicht an".
Neben traditionell orientiertem Country finden sich in Lovetts Musik stets Elemente von Folk, Jazz, Swing, Blues und Gospel.
Townes van Zandt war stilbildend
Einer, der stilbildenden Einfluss sowohl auf Vertreter der texanischen Singer-Songwriter-Szene wie Lyle Lovett oder Nanci Griffith als auch auf Vertreter des "Alternative Country" wie Gillian Welch oder Steve Earle ausübte, war der vor zehn Jahren verstorbene Musiker und Singer-Songwriter Townes van Zandt.
Van Zandt schaffte es, im Unterschied zu denen, die seine Songs coverten, nie über seinen Kultstatus hinaus zum großen kommerziellen Durchbruch zu kommen, dazu war seine Interpretation - selbst bei einer eingängigen Melodie - zu direkt und für den Markt dominierenden Country-Pop geradezu ein Störfaktor.
Um Authentizität bemüht
Townes van Zandt nur als Country-Musiker zu kategorisieren, wird ihm nicht gerecht. Seine Offenheit für Einflüsse jenseits der Country-Musik und die eher düstere und manchmal depressive Stimmung seiner Lieder faszinierten eine um Authentizität bemühte jüngere Generation von Musikern. Darunter etwa das Musikprojekt um den aus Boston stammenden Sänger und Songschreiber Robert Fisher, "Willard Grant Conspiracy".
Die Entwicklung des Steve Earle
Zu den bedeutendsten neuen beziehungsweise alternativen Country-Interpreten zählt der 52-jährige Steve Earle, ein Townes-van-Zandt-Schüler. Earle begann in den 1980er Jahren als Songschreiber für die Country-Musik-Industrie in Nashville, radikalisierte sich aber stilistisch und inhaltlich.
Seine Texte thematisierten soziale Missstände, riefen zu Widerstand und Verweigerung auf, und Earle engagierte sich in seinen Songs gegen die Todesstrafe.
Einfühlen in einen Taliban-Kämpfer
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 politisierte sich sein Image noch mehr, weil das Album "Jerusalem" einen Song enthielt, im dem Earle sich in den amerikanischen Taliban-Kämpfers John Walker Lindh einfühlt - zu hören in unserem Audio:
Ich bin ein ganz gewöhnlicher amerikanischer Bub, aufgewachsen mit MTV
Ich habe alle die Kinder in den Soap Operas gesehen
Aber die haben nicht wie ich ausgesehen
Also suchte ich ein Licht in der Dunkelheit
Und das erste, was ich hörte, das für mich Sinn machte
Waren Mohammeds Worte...
Country mit einer Ladung Testosteron
Für alle diese Musiker war ein Musiker direkt oder indirekt wesentlich: Hank Williams, geboren im September 1923, Zeit Lebens unter schweren psychischen und gesundheitlichen Problemen leidend, mit 30 alkohol- und morphiumsüchtig gestorben. Er gilt als der einflussreichste Country-Musiker aller Zeiten.
Seine ersten Akkorde auf der Gitarre lernte Williams von einem afroamerikanischen Straßenmusiker. Und das inkludiert mehr als Country, mit einer Ladung Testosteron gespielt, wird hier ein Weg zu Elvis deutlich.
Mehr zu Country abseits des Mainstream in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Spielräume, August, 29. September 2007, 17:30 Uhr
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