Europapolitik im 12. Jahrhundert

Von Räubern und Rittern

Er war ein glorreicher Krieger, aber ein unglücklicher Herrscher. Die Biografie von Richard I. von England, der mehr in der Fremde gekämpft, als in England regiert hat, liefert jede Menge Stoff für Opern, Romane und Hollywoodfilme.

Vor 850 Jahren wurde nicht nur Mariazell gegründet, sondern auch der Finanzier, der die Gründung von Wiener Neustadt ermöglich hat, geboren. Das Babenbergische Österreich florierte, obwohl es noch kaum größer war als Niederösterreich heute. Erst im Jahr der Gefangennahme Richard I. von England wurde Leopold V. von Österreich als Leopold II. auch Herzog der Steiermark.

Raubrittermethoden
Die Methode war ganz einfach: Wie die Kuenringer mit Vorliebe die Donau abzusperren pflegten, so wurde dem 35-jährigen Kreuzritter Richard Löwenherz (geboren 1157 in Oxford) die Rückreiseroute vom 3. Kreuzzug durch eine unheilige Allianz aus dem französischen König, Philipp II., dem deutschen Kaiser Heinrich VI. und dem persönlichen Widersacher des englischen Königs, dem österreichischen Babenberger-Herzog, so wirkungsvoll versperrt, dass Richards Odyssee, der in Sizilien das Schiff verlassen hatte, ihn schließlich - mehr oder weniger freiwillig über Dubrovnik, Kärnten und die Steiermark bis vor die Tore Wiens führte.

In Erdberg wurde er schließlich gefangen genommen und im Herrschaftsbereich des - gleichaltrigen Herzogs Leopold V. (übrigens in der Kuenringer-Burg Dürnstein) so lange verwahrt, bis Leopold mit Kaiser Heinrich über die Aufteilung der riesigen Lösegeldsumme handelseinig geworden ist.

Leopold scheint kein schlechter Verhandler gewesen zu sein, denn er bekam die Hälfte. Dann überstellte er persönlich den wertvollen Gefangenen nach Frankfurt, wo er auf die Burg Trifels in die direkte Gefangenschaft des Kaisers gebracht wurde.

Gutes Geschäft
Der hatte sich allerdings andere Vorteile gesichert, als nur finanzielle: Denn durch die eineinhalbjährigen Absenz des englischen Königs von der politischen Bühne verlor die mächtige Fürstenopposition in Deutschland ihren wichtigsten Unterstützer gegen den Kaiser und der konnte seine Erbansprüche in Sizilien endlich durchsetzen.

Es dauerte lange, bis das Lösegeld aufgebracht wurde. Die Zahlungen setzten sich sogar noch fort, als Löwenherz bereits nach England zurückgekehrt war. Mit dieser Summe konnte Leopold nicht nur die Gründung von Wiener Neustadt, damals nur ein militärischer Stützpunkt, sondern auch den Ausbau der Wiener Stadtbefestigung finanzieren und die fürstliche Münze.

Richard in der Musik
Richard Löwenherz war nicht nur ein beliebter Hollywood-Stoff. Es gibt auch - abgesehen von Schuberts Scott-Vertonung und jener Klage Richards aus der Gefangenschaft, die uns mit seinem Namen als Autor überliefert ist, zwei Löwenherz-Opern, die den Namen des englischen Königs im Titel tragen, "Riccardo primo" von Händel und die charmante und volkstümliche opéra comique "Richard, coeur de Lion" von André Gretry.

Ihre Handlung entspricht genau der Blondel-Legende mit einem Duett der beiden - außer- und innerhalb des Kerkers gesungen -, denn Blondel singt ein Lied, das nur ihm und dem König bekannt ist und daher als Erkennungszeichen dienen kann. Beethoven hat diese Melodie aufgenommen und daraus Klaviervariationen gemacht und Tschaikowsky lässt seine alte Gräfin in "Pique Dame" als wehmütige Erinnerung an ihre glückliche Jugend in Paris die Arie der Laurette aus dieser Gretry-Oper vor sich hin summen.

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Buch: Robert-Tarek Fischer, "Richard I. Löwenherz 1157-1199", Böhlau Verlag

Die Zeit - Richard Löwenherz