Peymann und Stein sehen schwarz
Grumpy Old Men
In den letzten Tagen haben zwei Altmeister des deutschen Regietheaters aufhorchen lassen. Sowohl Claus Peymann als auch Peter Stein sehen das Theater, namentlich das deutsche Regietheater in der Sackgasse.
8. April 2017, 21:58
Der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, fordert Geld vom Fernsehen für die Schauspielerausbildung an den großen Schulen und Theatern. "Wir entdecken die Leute und bilden sie aus und verlieren sie dann reihenweise ans Fernsehen. Das ist ein Unrecht und eine Schweinerei", sagte Peymann am Montag bei einem Gespräch im Rahmen der Ruhr-Triennale. Zugleich rechnete er mit dem deutschen Theater ab: Es fehle an guten Geschichten und mutigen Regisseuren. Peymann fügte hinzu: "Wir sind auf dem Weg in den Untergang."
Abschlagszahlung für Brain-Drain
"Im subventionierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen verdienen die Schauspieler 3000 Euro am Tag, so viel zahle ich in zwei Monaten. Kein Wunder, dass die gehen", sagte Peymann mit Blick auf die Abwanderung von Schauspielern zum Fernsehen. Auch die Privatsender müssten an die großen Bühnen und Schauspielschulen zahlen; schließlich profitierten auch sie vom Personal der Bühnen.
Am Theater fehle es heute vielen "Regiemarionetten" an Mut zu psychologisch ausgefeilten Charakteren und sorgfältig erzählten Geschichten, kritisierte der Regisseur. Stattdessen biederten sie sich mit herunter geratterten Texten an die Sehgewohnheiten des Fernsehens an. "In 55 Minuten ist eine "Emilia Galotti" nicht zu spielen und ein verrappter "Othello" ist kein "Othello"."
In dem Tempo könne sich niemand mit der Psyche der Figuren befassen. "Qualität ist Zeit, Stille, eine echte Geschichte und politische Subversivität." Wenn Regisseure dies aus Mangel an Selbstbewusstsein aufgäben, gäben sie das Wesentliche des Theaters auf.
Das Theater- und Opernfestival Ruhr-Triennale hat einem Wiedersehen mit dem 70-Jährigen seinen diesjährigen Werkschwerpunkt gewidmet. Peymann war von 1979 bis 1986 Intendant des Bochumer Schauspielhauses. Unter seiner Regie geplant ist unter anderem die Uraufführung des neuen Peter-Handke-Stückes "Spuren der Verirrten".
Alle lachen über uns
Auch Peymanns Kollege, der Regisseur Peter Stein, hat heftige Kritik an den heute gängigen Inszenierungsformen an den deutschen Bühnen geübt. "Inzwischen kann ja am Theater jeder machen was er will, aber in der ganzen Welt wird das deutsche Regietheater inzwischen verlacht", sagte Stein am Dienstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur dpa in Berlin. Stein, der lange Jahre die Berliner Schaubühne bis Mitte der 1980er Jahre leitete, nimmt am Internationalen Literaturfestival in der deutschen Hauptstadt teil.
"Dem Theater bläst doch der Wind ins Gesicht. Wir müssen uns doch gegen eine vollständige Verdummungsstrategie in der Gesellschaft stemmen." Das könne nicht dadurch geschehen, dass sich der Regisseur am Theater beispielsweise als Autor über Shakespeare stelle. Insofern teile er die harschen Worte seines Kollegen Claus Peymann über "Regiemarionetten" und das drohende Ende der deutschen Theaterkultur.
Das Katastrophale sei, dass in den letzten 15 Jahren aus dem deutschen Theater keine Schauspielernamen mehr hervorgegangen seien, "die sich auch nur annähernd messen können mit denen, die es davor gegeben hat", meinte der 70-Jährige.
Heute hätten die Schauspieler "doch Angst, dass sie mit Scheiße beschmiert werden oder an der Rampe eine halbe Stunde lang wichsen müssen". Er sage den jungen Regisseuren immer wieder: "Seid vorsichtig, wenn das unkonventionelle Theater, das Schönste was es gibt, zur Konvention wird, seid ihr in einer Falle. Da kommt ihr nicht mehr raus, ihr könnt dann nur noch länger wichsen."
Links
RuhrTriennale - Programm
Berliner Ensemble
Wikipedia - Peter Stein
Internationales Literaturfestival Berlin