Delugan Meissl bauen in Erl
Ein festes Haus für Herrn Kuhn
Das Wiener Architekturbüro Delugan Meissl hat den Auftrag erhalten, das neue Winterfestspielhaus zu gestalten. Das Festival von Gustav Kuhn nutzt derzeit das ausschließlich für den Sommerbetrieb gebaute Haus der Passionsspiele aus den 1950er Jahren.
8. April 2017, 21:58
"Festspiele sollten Kunstwerken die Utopie ermöglichen", das war der Kern von Gerard Mortiers Grußbotschaft an die Festspiele Erl zu ihrem Zehn-Jahres-Jubiläum heuer im Sommer. Nach beharrlichen Jahren des Aufbaus in einer scheinbar fest gefügten Festivallandschaft und nachdem der Baulöwe Hans Peter Haselsteiner als Financier an Bord geholt wurde, ist Gustav Kuhn nun dabei, sich einen weiteren Traum zu erfüllen - den ganzjährigen Spielbetrieb in Erl. Das von Dirigent Gustav Kuhn ins Leben gerufene Festival hat sich der Wagner-Pflege verschrieben.
Bei einem EU-weiten Wettbewerb hat sich das Wiener Architekturbüro Delugan Meissl den Auftrag gesichert, das neue Winterfestspielhaus zu gestalten. Das Winterfestspielhaus wird ein eigenes Gebäude darstellen. Das heißt, es wird nicht am Sommerfestspielhaus angedockt, sondern der Entwurf sieht nebenan und auf gleicher Höhe ein eigenständiges Theater vor. Der Neubau soll sich nach Angaben der Architekten um Jörg Rasmussen, Simon Takasaki und Imke Haasler vom alten Gebäude in Form und Materialität unterscheiden, jedoch keinen echten Kontrapunkt setzen.
Auszug aus dem Wettbewerbstext
Das jetzige Festspielhaus Erl ist ein markantes architektonisches Zeichen und repräsentiert damit sowohl den Ort, als auch den herausragenden überregionalen Ruf der Passionsfestspiele. Eine angemessene Antwort auf das bestehende Gebäude kann für den Neubau nicht bedeuten, das ursprüngliche Festspielhaus lediglich baukörperlich zu ergänzen - dieses würde der Skulptur des als Solitär geplanten Sommergebäudes nicht gerecht werden.
Die moderne kraftvolle Architektur der 1950er Jahre hat auch heute noch große Aktualität, sollte aber den ihr zustehenden Raum bewahren können. Alt und Neu stehen sich als gleichberechtigte Partner gegenüber, sie reagieren aufeinander, bestärken sich in ihrer Wirkung und präsentieren sich als gemeinsam schlüssiges Ensemble der Öffentlichkeit, ohne jedoch den individuellen Ausdruck des jeweils anderen zu beeinträchtigen.
Die Positionierung des neuen Winterfestspielhauses wird so gewählt, dass sich vor den Gebäuden ein großzügiger und geborgener Vorbereich ergibt, der als offenes Foyer unter freiem Himmel fungiert, eine hohe Aufenthaltsqualität bietet und auf beide Häuser gleichermaßen Bezug nehmen lässt. Als räumliches Gelenk verbindet er die zwei Teile und ist damit sowohl städtebauliche als auch funktionale Maßnahme.
Die tektonische Ausprägung der skulpturalen Architektur resultiert aus der Charakteristik der Umgebung. Zwei Bewegungen, in Form zweier kristalliner Körper, verzahnen sich, sind miteinander verschränkt und bilden auf diese Weise wie zwei ineinander greifende Hände den Innenraum und Eintritt aus.
Im oberen Bereich, dort wo der Spalt waagerecht abknickt, wird von der oberen Galerie aus der gezielte und kraftvoll gerahmte Blick hinaus in die Landschaft fokussiert. Die Souveränität des bestehenden Gebäudes, dessen Herleitung aus der Landschaftsspezifik schlüssig nachvollziehbar ist, wird auch in der neuen Architektur als dem Ort angemessen aufgenommen.
Ziel ist es, einen Baukörper zu entwickeln, der die Linienführung der Umgebung aus Berg, Wald und Wiese inkorporiert, mit großer Selbstverständlichkeit seinen Platz einnimmt und in einem sensibel ausdifferenzierten Verhältnis zum vorhandenen Bau steht. Das heißt, dass der Neubau sich bewusst in Form und Materialität unterscheidet, ohne jedoch einen zu starken Konterpunkt zu setzen. Damit tritt er nicht als baukörperliche Ergänzung in Erscheinung, sondern als städtebauliches Pendant. Auf diese Weise steht die tänzerische leichte Figur des Sommerhauses mit der kristallinen, jedoch körperlich geerdeten Geometrie des Winterhauses in einem sowohl spannungsvollen als auch ausgewogenen Miteinander.