Von der Sklaverei zur Dienstleistungsgesellschaft

Workingman's Blues

Musik liefert also den Soundtrack für unser Leben. Sie kann sogar unsere Produktivität verbessern. Aber gibt es Songs, die die Arbeitswelt und die Rahmenbedingungen für Arbeitsverhältnisse reflektieren? Nicht häufig, aber doch.

Man weiß: Musik kann die allgemeine Stimmung und die Produktivität verbessern. In der modernen Industriegesellschaft ist es vor allem die Popmusik, egal woher sie kommt, von CD, aus dem Internet oder aus dem Radio, die von den Rezipienten in einer Art Selbst-Medikation verwendet wird.

Musik liefert also den Soundtrack für unser Leben. Es gibt aber verhältnismäßig wenige Beispiele, die die Arbeitswelt und die Rahmenbedingungen für Arbeitsverhältnisse reflektieren.

Sklaven beim Eisenbahnbau

Ein Beispiel dafür: "Berta, Berta", vom Album "I Heard You Twice The First Time" von Branford Marsalis. Sklaven, aneinander gekettet, beim Bau einer Eisenbahnstrecke. In den Südstaaten waren Mitte des 19. Jahrhunderts von neun Millionen Einwohnern über 3,5 Millionen Sklaven.

Offiziell ist die Sklaverei heute in allen Staaten der Welt abgeschafft, zuletzt in Saudi Arabien 1962. Und doch befinden immer noch viele Menschen in dieser extremen Form der Abhängigkeit und Ausbeutung - Zuckerrohr - und Bergarbeiter in Südamerika, Kindersoldaten in Afrika, Zwangsarbeiter in chinesischen Fabriken und Minen. Und der Handel mit Mädchen und Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden, gehört weltweit zu den lukrativsten Aktivitäten der organisierten Kriminalität.

Arbeit als Mühsal und Not

"Berta, Berta" heißt dieser Song, aber "Burden, Burden", wird gesungen, Burden - die Last, die zu heben, zu tragen ist. Etymologisch findet man für den Begriff Arbeit, egal ob im Englischen, Französischen, Italienischen oder Deutschen immer wieder die Bedeutungen "Mühsal", "Strapaz", "Not".

Die "industrielle Revolution", die wir in Europa hinter uns, aber andere Länder noch vor sich haben, bedeutete eine tägliche Arbeitszeit bis zu 18 Stunden, keine Sonntagsruhe, keine Altersversorgung, keine Unfallversicherung, keinen Schutz gegen Willkür durch Vorgesetzte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war ein Drittel der Fabrikarbeiter in den USA zwischen sieben und zwölf Jahren alt.

Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse

In den Songs "Working In Coal Mine" oder "Sixteen Tons" werden diese Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse im 20. Jahrhundert treffend beschrieben: "I owe my soul to the company store" heißt es da und in Bruce Springsteens Lied "Factory" wird davon erzählt, wie die schwere Industriearbeit den Arbeitern Leben gibt und ihr Leben kostet.

Arbeitsdruck steigt

Der technische Fortschritt der letzten Jahrzehnte - Automatisierung und Computerisierung - ermöglichte große Produktivitätssteigerungen und reduzierte in den Industrieländen die klassische Industriearbeiterschaft. Schwer gearbeitet wird nach wie vor - zum Beispiel am Bau und in der Stahlindustrie.

Neu ist in der Dienstleistungsgesellschaft, in der wir uns befinden, die starke Verdichtung der Arbeit, das heißt der Arbeitsdruck steigt und in der Folge der Stress. Bereits ein Viertel aller Invaliditätspensionierungen ist auf Depressionen oder psychosomatische Erkrankungen zurückzuführen.

Manual für moderne Zeiten

"Fitter, happier, more productive" sollst du sein. "Gesünder, glücklicher, produktiver, nicht zu viel trinken, regelmäßige Fitnessübungen, gesund essen, keine bösen Träume träumen..." Dieses Manual für die modernen Zeiten referiert die Brit-Rock-Band Radiohead. "Fitter, happier and more productive - like a pig in cage on Antibiotics" - "Wie ein Schwein in einem Käfig, dem Antibiotika verabreicht werden".

Ebenfalls eine vergleichsweise neue Entwicklung ist das Entstehen der sogenannten "Working poor", also jener Menschen, die zwar arbeiten gehen, aber nicht genug verdienen beziehungsweise verdienen können. Alleinerziehende Mütter sind da die Hauptrisikogruppe. Von den 250.000 alleinerziehenden Müttern haben etwa ein Drittel ein Nettoeinkommen von weniger als 1.000 Euro (Kinderbeihilfe bereits eingerechnet).

Alltag einer alleinerziehenden Mutter

In "Soll das alles sein?" beschreibt die deutsche Hip-Hop-Gruppe Fettes Brot den Alltag einer alleinerziehenden Mutter. Sie arbeitet tagsüber als Kellnerin, als Putzfrau am Abend und hat ein Kind zu versorgen. "Soll das alles sein?" erinnert auch an die privaten Auswirkungen von bestimmten Arbeitsverhältnissen: Da heißt es: "Es gibt so viel, was auf der Strecke bleibt: ihr Glück - und die Lust und vor allem: die Liebe".

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 23. September 2007, 17:30 Uhr

Links
Branford Marsalis
Bruce Springsteen
Radiohead
Fettes Brot