Tizols erstes Stück für Ellington

Das ewige Feuer des "Caravan"

Erstes Latin-Jazz-Stück der Geschichte oder orientalische Fantasie? Was diente Juan Tizol als Vorlage zu einem von Duke Ellingtons größten Erfolgen? "Caravan", gerade 70 Jahre alt geworden, inspiriert bis heute Musiker (fast) aller Richtungen.

"Caravan", Fassung 1937 mit Duke Ellington

Was ist es, das manche Stücke zeitlos frisch erscheinen lässt? "Caravan", 1936/37 von Duke Ellington aufgenommen, ist ein Fall par excellence. Gerade erst eröffnete Klavierwunderkind Jacky Terrasson damit sein Album "Mirror". Und in der endlosen Karawane der Fassungen während der letzten 70 Jahre fehlt kaum ein namhafter Interpret des Jazz, und darüber hinaus - von Art Blakey bis zu den Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker.

Der Hit des blinden Passagiers

New York, Mitte der 1930er Jahre: Die goldene Swing-Ära ist eine Zeit des scharfen Wettbewerbs. Selbst ein Edward "Duke" Ellington spürt die Konkurrenz und muss sich behaupten, gegen den unerhörten Erfolg der Platten Benny Goodmans, in den Tanzsälen der Stadt gegen Chick Webb und sein Orchester.

Da braucht es Stücke, die nicht nur ins Ohr, sondern auch in die Beine gehen. Den Hit des Jahres 1937 liefert der Puertoricaner Juan Tizol, seit acht Jahren Posaunist in Ellingtons Orchester, als rechte Hand des "Duke" schreibt er Stimmauszüge und leitet Proben. Als blinder Passagier ist er 1920 nach New York gekommen, hat dann aber in Ellingtons Heimatstadt Washington, D.C., Arbeit als Musiker gefunden und spielt von 1929 bis 1944 (und noch einmal von 1951 bis 1953) an Ellingtons Seite.

Latin- oder Orient-Karawane?

"Caravan" ist Tizols erstes Stück für Ellington, und bleibt lebenslang sein größter Erfolg. Auch seine Komposition "Perdido" wird zum Jazz-Standard. Darüber hinaus schreibt er zahlreiche Balladen und Swingstücke - und einige der ersten Latin-Jazz-Stücke.

"Caravan" wird oft als allererstes Lied dieses Genres genannt - von anderen Fachleuten wird die Zuordnung bestritten: Um eine reine Phantasie über orientalische Themen handle es sich hier - auch wenn Juan Tizol Lateinamerikaner war.

Musikwissenschaftler vereint Sichtweisen

Tatsächlich sollte Tizol nach "Caravan" noch zahlreiche so genannte Exotica schreiben, mit Titeln wie: "Pyramid", "Bagdad", "Zanzibar", "By the Shalimar", "Keb-lah".

Der Musikwissenschaftler Basilio Serrano vereint beide Sichtweisen und klärt den Widerspruch in einer Arbeit auf: Demnach war Juan Tizol in seiner Jugend in Puerto Rico mit dem Erbe maurischer Musik vertraut, die in Form andalusischer so genannter "Décimas", zehnzeiliger vertonter Verse, den Weg in die Neue Welt gefunden hat.

Für 25 Dollar verkauft

So oder so bleibt "Caravan" eine dankbare Grundlage für Variationen - obwohl (oder weil) das Stück harmonisch relativ einfach aufgebaut ist. Doch eine Melodie, die schnell zum Ohrwurm wird und ein zwingender Rhythmus fordern kreative Neufassungen geradezu heraus.

Übrigens: Juan Tizol verkaufte seine Urheberrechte an "Caravan" 1937 für 25 Dollar an Ellingtons Manager (und Textautor) Irving Mills. Doch nach dem riesigen Erfolg des Stücks machten Ellington und Mills den Kauf rückgängig und beteiligten Tizol an den Tantiemen. Auch das gibt’s im Showbusiness.

Hör-Tipp
Jazztime, Dienstag, 25. September 2007, 21:34 Uhr

Buch-Tipp
Kurt Dietrich, "Duke’s Bones. Ellington’s Great Trombonists", Advance Music, ISBN 9783892210597

Link
Universidad Autónoma del Estado de México - Basilio Serranos Forschungsarbeit über Juan Tizol