Kampfabsage

Fremde ist keine Bedrohung

Ilija Trojanow, deutscher Autor bulgarischer Herkunft, wendet sich in seinem neuen Buch "Kampfabsage - Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen zusammen" gemeinsam mit seinem Kollegen Ranjit Hoskote gegen die These vom clash of civilisations.

Ilija Trojanow, 1965 in Sofia, Bulgarien geboren, flüchtete als Sechsjähriger mit seinen Eltern über Italien nach Deutschland, verbrachte den Großteil seiner Kindheit und Jugend in Kenia und erhielt in den 1980er Jahren problemlos die deutsche Staatsbürgerschaft, weil er dem verblüfften Einbürgerungsbeamten auf die Frage nach dem Schriftsteller Lenz mit einer Gegenfrage antwortete: Meinen Sie Siegfried, Hermann oder Jakob Michael Reinhold Lenz?

Im Sommersemester 2007 war er Gastprofessor an der Universität Berlin und amüsierte die Zuhörerschaft mit dem Bekenntnis, dass er nicht nur Rechtswissenschaften und Ethnologie, sondern auch Havarie studiert habe.

Das ist ein Terminus, der von Schiffskollisionen her stammt und ein Studiengang, der eigens für mich entwickelt wurde. Da hat man gesagt, dieser Mensch muss lernen mit Unglücksfällen technisch souverän umzugehen. Ich hab das wirklich fast zehn Jahre lang studiert. Das Schöne daran ist, dass es für das Havariestudium per definitionem keinen Abschluss gibt. Das heißt man ist ein besonders guter Havariestudent, wenn man immer weiter lernt.

Ganz ohne Brüche und Kanten scheint Trojanows Weg vom Flüchtlingskind zum Weltbürger und Erfolgsschriftsteller also doch nicht verlaufen zu sein.

Jenseits von Afrika

Als Student in Deutschland begann er Afrika, wo er selbstverständlich mit Kindern unterschiedlichster Herkunft aufgewachsen war, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu vermissen.

Was das Verständnis von Afrika auf intellektueller Ebene angeht, die Kenntnis geschichtlicher Vorgänge, die kritische Einstellung gegenüber dem Kolonialismus und dem nach wie vor überheblichen Umgang des Westens mit diesem Kontinent, so hat das erst mit meiner Distanz zu Afrika begonnen. Damals, als ich als Student in München Probleme mit der Kälte des Klimas und dem Umgang der Menschen miteinander hatte. Das Studium war enttäuschend, also hab ich unheimlich viel gelesen. Aber auch in den europäischen Romanen über die sogenannte Dritte Welt waren die Einheimischen nur Schattenfiguren.
Ein Diener hier, ein Führer dort, wenn sie überhaupt mal vorkamen, dann waren sie entweder hinterlistig und gefährlich oder treue Begleiter, die wie eine Dogge hinterher trotten und gelegentlich hineinspringe, um das Leben des weißen Haupthelden zu retten.

Ich hab dann mit einem Freund den Marino Verlag gegründet, um endlich afrikanische Literatur publik zu machen. Fast ein Jahrzehnt lang haben wir afrikanische Romane, Kurzgeschichtensammlungen und Bildbände veröffentlicht. Don Quichotte, der gegen Windmühlen kämpft ist nichts in Vergleich zu den Kämpfen die man ausfechten muss, wenn man die verbreitete Einstellung der Menschen in Europa zu Afrika ändern will, das sind wirklich 500 Jahre Vorurteil.


Jenseits des Tellerrands
Ilija Trojanow hatte sein Thema gefunden. Er wollte etwas schreiben, das über den Tellerrand der westlichen Zivilisation hinausreichte. Für seinen Roman "Der Weltensammler" zog er fünf Jahre lang nach Bombay, um sich auf die Spuren des untypischen englischen Kolonialoffiziers Sir Richard Burton zu begeben, der vier Kontinente bereist hatte und tief in fremde Kulturen eingetaucht war.

Die eigentlichen Hauptfiguren des "Weltensammlers" sind aber die Einheimischen. Burtons indischer Diener Naukaram ebenso wie der befreite Sklave Sidi Mubarak Bombay, der drei Expeditionen zu den Nilquellen geleitet hatte. Ihnen wollte er eine eigenständige Stimme geben.

Plädoyer für den kulturellen Austausch
Das erzählerische Projekt einer emphatischen Annäherung an das Fremde wird nun durch die kulturwissenschaftliche Abhandlung "Kampfabsage. Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen zusammen" ergänzt.

Ilija Trojanow und Ranjit Hoskote belegen an einer Fülle populärer Beispiele, dass unsere aufgeklärte, westliche Zivilisation ohne den Einfluss anderer - heute zu Unrecht als rückständig angesehener - Kulturen, nicht möglich geworden wäre. Die Gefahr, die von fundamentalistischen Strömungen ausgeht, wird hier keineswegs verharmlost. "Kampfabsage" ist ein Plädoyer für den kulturellen Austausch der weltoffenen Strömungen, die es nicht zuletzt im Islam gibt.

Manchmal mangelt es einfach an Wissen oder an der richtigen Übersetzung. Wenn Muslims sagen, es gibt keinen Gott außer Allah, fühlen sich viele Christen verletzt. Wenn sie wüssten, dass Allah ein Wort für Gott ist, könnten sie besser damit leben. Dann heißt dieser Satz: es gibt keinen Gott außer Gott.

Fremde und kulturelle Differenz, sagt Trojanow, sind nur dann eine Bedrohung, wenn sie für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Wenn wir uns klar machen, dass vieles, was uns früher fremd war, heute zu unserem Lebensalltag gehört, könnten wir uns besser damit anfreunden.

Unsere Absicht war, die Einstellung der Menschen zu dem, was sie für fremd halten, ein wenig zu verändern. Fremde ist für alle, denen Kultur etwas Lebensnotwendiges und Beglückendes ist, ein ganz großes Geschenk.

Mehr zu Ilija Trojanow oe1.ORF.at

Hör-Tipps
Tonspuren, Freitag, 28. September 2007, 22:15 Uhr und
Sonntag, 30. September 2007, 21:15 Uhr

Buch-Tipps
Ilija Trojanow, "Der Weltensammler", Hanser, ISBN 9783446206526

Ilija Trojanow und Ranjit Hoskote, "Kampfabsage. Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen zusammen", Blessing, ISBN 9783896673633

Ilija Trojanow, "Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton", Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, ISBN 3821845279

Links
Hanser - Ilija Trojanow
Blessing - Kampfabsage
Eichborn - Nomade auf vier Kontinenten