Der Weg zum Radio

I. Aller Anfang ist leicht

"Ich tauchte also in der Argentinierstraße auf und erklärte einem sympathischen Herrn namens Gaisbauer die glückliche Fügung, dass ER Mitarbeiter sucht und ICH eine neue Arbeit."

"Hier beim 'blinkfeuer' bist du überqualifiziert", entschied Erhard Busek, "du solltest zur 'Furche' gehen, ich werde dich empfehlen." Erhard Busek war Chefredakteur, ich "Leitender Redakteur". Klingende Namen in Bezug auf das Blättchen der KSJ (Katholischen Studierenden Jugend) und der freundlichste Rausschmiss meines Lebens. Bedenkt man nämlich, dass die ehrgeizigen Elaborate von Uwe Bolius, Kurt Strnadt, Wolfgang Schüssel, Alfred Komarek, Heide Pils und meine über Shaw, Beckett, Brecht, Arrabal, Nestroy oder Karl Kraus die Oberstufengymnasiasten heillos überforderten und zu erheblicheren Auflagenrückgängen führten.

Jedenfalls begann ich im Frühjahr 1966 in der "Furche", der katholischen Zeitschrift mit deutlich höheren intellektuellen Anforderungen. Ich sollte den Schreibtisch des in Pension gegangenen Friedrich Heer beziehen und mich unter dem Kulturchef Prof. Dr. Helmut Fiechtner kulturell betätigen. Das war nicht so einfach. Er hatte nicht nur die Arbeit nicht erfunden, sondern ließ mich auch (vermutlich aus Konkurrenzangst, wie ich überzeugt war) selten Vernünftiges machen. Das und die von mir festgestellte Faulheit teilte ich dem Generaldirektor mit, der es seinerseits dem Kulturchef mitteilte, der daraus eine große Er - oder - Ich-Sache machte - worauf man mich nach wenigen Monaten rausschmiss.

Schon wieder ein Anfang
Kurz davor hörte ich im Radio, dass für eine neue Jugendsendung Mitarbeiter gesucht würden. Also tauchte ich in der Argentinierstraße auf und erklärte einem sympathischen Herrn namens Gaisbauer die glückliche Fügung, dass ER Mitarbeiter sucht und ICH eine neue Arbeit.

Warum nicht, war die Antwort, nur müsste ich eine Probesendung machen. Ich produzierte drei Kurzporträts über Peter Handke, Werner Schneyder und Wolfgang Bauer - alle drei damals literarisch noch nicht in aller Munde - und war fortan der Literaturspezialist in der neuen Jugendpartie, gemeinsam mit Heide Pils und Alfred Komarek.

Im Oktober 1966 ging das neue, von uns erfundene "Magazin für Teens und Twens" auf Sendung. Mit dem Moderatorenpaar Erika Mottl und Wolfgang Hübsch. Richard Goll suchte die Musik aus. Und da konnte es schon vorkommen, dass verzerrte Gitarrenklänge eines Jimi Hendrix den akustischen (und nicht nur den akustischen) Frieden störten … Dabei waren wir politisch gar nicht besonders interessiert, aber mit dem Radio-Establishment wollten wir mit Ausnahme von Gaisbauer wenig zu tun haben. Für mich waren das alles Ärmelschoner-Dinosaurier jenseits von Gut und Böse. Uninteressant. Genau wie der "Rest" des Radioprogramms. Bezeichnend, dass der Programmdirektor Übelhör die Taubstummengasse als Postadresse hatte. Wir lachten uns schief …

Unmut über Proporz-Rundfunk
Der Unmut über den Proporz-Rundfunk, die finanzielle Aushungerung, die Ablehnung des unzulänglichen Programmangebotes und die Mobilmachung der Presse gegen diese unhaltbaren Zustände in Form des Rundfunk-Volksbegehrens - das alles war uns zwar bekannt, wir konnten uns aber keinen Einfluss auf unser weiteres Radioleben vorstellen. Und wenn, dann nur einen positiven. Schlechter konnte es ja nicht werden …
Denn obwohl es schon laute Presse-Stimmen in Richtung Volksbegehren und permanente Überlegungen zur Neuordnung gab, waren Programm und die Strukturen weit gehend frei von Anfechtungen und Selbstkritik.

Buch-Tipp
Alfred Treiber, "Ö1 gehört gehört - Die kommentierte Erfolgsgeschichte eines Radiosenders", Böhlau Verlag, Wien 2007, ISBN 9783205774952