Die Sieben Hauptlaster
Todsünden in Musik gesetzt
Hochmut, Geiz, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei, Trägheit: Das sind die sieben Todsünden, auch Hauptlaster genannt. In Songs wird das Sündenregister immer wieder thematisiert, die Ausdruckspalette reicht von biblischer Strenge bis zu beißender Ironie.
8. April 2017, 21:58
Hochmut (lat. Superbia), Geiz (lat. Avaritia) und Neid (lat. Invidia). Bei diesen drei Charaktereigenschaften werden wohl auch Agnostiker und Atheisten zustimmen, dass sie der Menschheit kaum etwas Gutes gebracht haben. Oder täuscht der erste Blick? Neil Tennant von den Pet Shop Boys hat einmal in einem Interview gestanden, dass während seiner Tätigkeit als Musikjournalist der Neid auf hochnäsige Popstars, die er interviewen musste, seine Hauptinspiration war, selbst ein hochnäsiger Popstar zu werden.
Als solcher schenkte er der Menschheit einige Songperlen. Geiz kann allerdings meiner Ansicht nach niemals geil sein, sondern ist ein Ausdruck von falsch verstandenem Kleinbürgertum. Popstars geißeln ihn gerne in ihren Songs, auch dann, wenn sie selbst schon zum "Mister Scrooge" wurden.
Der (un)heilige Zorn
Dies irae (lat. "Tag des Zorns") ist der Anfang eines mittelalterlichen Hymnus vom Jüngsten Gericht, der bis 1970 in der römischen Liturgie als Sequenz der Totenmesse gesungen wurde. Er fand ab dem 14. Jahrhundert Eingang in das Requiem und wurde durch das Konzil von Trient als fester Bestandteil der Totenmesse bestätigt. Diesem heiligen Zorn Gottes wird der gleichermaßen unheilige wie verdammenswerte Zorn des Menschen gegenübergestellt.
Leider ist nun der Zorn etwas zutiefst Menschliches. Über die "ira humana" referieren nicht nur donnernde Heavy-Metal-Kapellen. Die Soullegende Marvin Gaye verarbeitete in seinem persönlichsten Album "Hear, my dear" die Scheidung von seiner ersten Frau Anna. Da durfte neben dem Trennungsschmerz natürlich auch der Zorn über die öffentliche Schlammschlacht am Ende der zerrütteten Ehe nicht fehlen.
Sex & drugs & Rock'n Roll!
Keith Richards von den Rolling Stones hat einmal keck in einem Interview behauptet, seine Band hätte alle drei Begriffe dieses Schlachtrufes erfunden. Zumindest zwei davon könnte man dem Sündenkatalog zuordnen. Die Drogen unter Einbeziehung des Alkohols und der Zigaretten der Völlerei (lat. Gula).
Natürlich gibt es auch Lieder über die Fresssucht selbst: Man denke nur an das unverwüstliche "Aber bitte mit Sahne" von Udo Jürgens.
Und wenn die Wollust (lat. Luxuria) wirklich eine Todsünde ist, muss der kürzlich verstorbene Sänger James Brown wohl eine besondere Art des Fegefeuers durchschreiten. In unzähligen seiner Hits hatte der "Godfather of soul" seine animalische Sexualität ungeniert zur Schau gestellt, und auch im wirklichen Leben dürfte er außerehelichen Vergnügungen nicht abgeneigt gewesen sein. Außer seinem zu Lebzeiten anerkannten sechsköpfigen Nachwuchs gibt es noch mindestens zwei uneheliche Kinder.
Faulheit ist eine Todsünde?
"Acedia", lateinisch für Trägheit und Faulheit, das ist die siebte und letzte der Todsünden. Ich persönlich kann ja dieser Charaktereigenschaft nicht wirklich eine Sündhaftigkeit zuschreiben und rufe prominente Persönlichkeiten in den Zeugenstand: War Diogenes in seinem Fass ein Frevler? Oder was ist dann mit dem eher kurzen Gedicht "Lob der Faulheit" von, man achte auf den Namen, Gotthold Ephraim Lessing? Dieses wunderschöne Poem wurde immerhin vom durchaus gottgefälligen Joseph Haydn vertont.
Auch John Lennon ließ es nach den turbulenten, arbeitsintensiven Anfangsjahren der Beatles in späteren Phasen seiner Karriere ein bisschen beschaulicher angehen. Sein Song "I'm only sleepin'” befindet sich auf der epochalen Fab-Four-LP "Revolver" aus dem Jahr 1966. Wie man auch immer zu diesen Todsünden stehen mag, unvergessen bleibt in diesem Zusammenhang für mich Woody Allens Definition des Katholizismus: "Sündigen sie jetzt und bezahlen sie später!"
Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 30. September 2007, 17:30 Uhr