The Big Five im Vergleich
Die großen Fünf
Die Orchester von Philadelphia, Boston, New York, Chicago und Cleveland gelten als die "Big Five" der USA. Diesen fünf Orchestern schreibt man Qualitäten zu, die sie von anderen klar abheben. Doch wie individuell sind die "Big Five" wirklich?
8. April 2017, 21:58
Wenn es sich nicht gerade um das Big-Five-Modell, nach dem man Persönlichkeitsstrukturen in der Psychologie beschreibt, handelt, um eine der großen Weltkatastrophen der Erdgeschichte, wie das Aussterben der Dinosaurier, oder um eine Safari in Afrika, wo Löwe, Nashorn, Elefant, Flusspferd und Leopard als Big Five bezeichnet werden, dann dreht es sich um Musik.
Denn so hat man seit der letzten Jahrhundertmitte jene fünf Orchester der Vereinigten Staaten in Philadelphia, Boston, New York, Chicago und Cleveland genannt, die sich in ihrer Klangkultur und spieltechnischen Qualität deutlich von den anderen abheben. Zumindest in der öffentlichen Meinung des transatlantischen Musiklebens.
Orchester mit Sonderstellung
Natürlich ist bei solchen Etikettierungen, solchem "Willen zur Schachtel" (Friedell), beziehungsweise solchen Verallgemeinerungen der Subjektivität Tür und Tor geöffnet. Dennoch kann man nicht leugnen, dass die Sinfonieorchester von Philadelphia, Boston, New York, Chicago und Cleveland eine Sonderstellung haben, was ihr Image betrifft. Und damit auch einen marktwirtschaftlichen Bonus.
Das merkt man auch am - früher häufigeren, jetzt selteneren - europäischen Touch, was die Chefdirigenten betrifft - derzeit: Lorin Maazel, James Levine, Christoph Eschenbach, Bernard Haitink und Franz Welser Möst -, von denen einer aus Österreich, einer aus Deutschland und einer aus Holland kommt. Und die beiden Amerikaner hatten bereits bedeutende Positionen in Opernhäusern beziehungsweise Sinfonieorchestern Europas inne.
Ein Rest von Individualität
Obwohl die Stimmen zahlreicher werden, die sagen, dass die Vorrangstellung der Big Five bereits Geschichte ist, sich das Niveau generell gesteigert und die durchschnittliche Spielqualität von Orchestermusikern - nicht nur in Amerika - einander angeglichen hat, ist dennoch ein Rest von Individualität dieser fünf großen Kollektive geblieben, die sich aus der Individualität einer großen Zahl von Dirigentenpersönlichkeiten ergeben hat.
Die Geschichte dieser Orchester ist auch die Geschichte ihrer Chefdirigenten. Einmal sind es dreizehn, wie in Boston, dann wieder nur sieben, wie in Philadelphia, oder zwei Dutzend, wie in New York, aber die überwiegende Mehrheit stammt aus Europa und ein hoher Prozentsatz sogar aus dem deutschen Raum. Ja manchmal, wie in Boston, ist sogar erst der 13. Chefdirigent, eben James Levine, ein geborener Amerikaner! Und hie und da - wie in Philadelphia - folgen auch heute noch zwei Chefdirigenten deutscher Herkunft aufeinander, wie Wolfgang Sawallisch und Christoph Eschenbach.
Große Orchester, große Namen
In New York hatte diese Position einst Gustav Mahler, später Toscanini, Mengelberg und Mitropoulos, Mehta, in Boston Arthur Nikisch, Pierre Monteux, Seiji Oszawa, wo aber der über alles prägende Chef der Russe Sergei Koussevitzky gewesen ist, wie in Philadelphia Leopold Stokowski. Cleveland ist für Musikfreunde heute noch mit dem Namen George Szell verbunden wie Chicago mit Solti, aber auch mit Kubelik und Barenboim.
Das ist nur eine kleine Auswahl der wichtigsten Namen, die allerdings keinen einzigen Amerikaner enthält. Nur Österreich, Italien, Holland, Griechenland, Indien, Deutschland, Frankreich, Japan, Russland, England, Ungarn, Tschechien und Israel sind unter den Herkunftsländern vertreten.
So spiegelt die Geschichte der Big Five - wenn ihre einstige Vorrangstellung auch heute nicht mehr unangefochten ist -, besser als eine Geschichte des amerikanischen Opernlebens den internationalen, vor allem europäischen, aber ganz besonders den deutschen Einfluss auf das Musikleben in der Neuen Welt. Denn: Italien ist zwar das Land der Oper, aber die deutsche Musikgeschichte die der Symphonie.
Hör-Tipps
Mehr zum Thema "Big Five" in oe1.ORF.at
Musikgalerie, Montag, 1. Oktober, Montag, 8. Oktober, Montag, 15. Oktober, Montag, 22. Oktober und Montag, 29. Oktober 2007, jeweils 10:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Links
The Philadelphia Orchestra
Boston Symphony Orchestra
New York Philharmonic
Chicago Symphony Orchestra
The Cleveland Orchestra