Wenn die Lösung das Problem ist

Magazin des Glücks

Die "Tele-Akademie" wird vom deutschen Südwestrundfunk gesendet. Vergangenen Sommer war einmal ein Vortrag von Paul Watzlawick aus dem Jahre 1987 dran, ein historischer Vortrag mit dem Thema "Wenn die Lösung das Problem ist".

Ach, dieses kleine Glück eines Wiener Sommersonntagmorgens... Um der drohenden Tristesse zu entgehen, der Traurigkeit eines Sommersonntagmorgens in Wien, sehe ich mir manchmal etwas Schönes an. Das Schöne findet um acht Uhr dreißig statt, es nennt sich "Tele-Akademie" und es wird vom Fernsehen des deutschen Südwestrundfunks gesendet. Jetzt, da der Sommer des Jahres 2007 zu Ende geht, sei er hier mit einer Erinnerung verabschiedet, mit einer Erinnerung an einen dieser "Tele-Akademie"-Vorträge, der selbst schon eine Erinnerung war.

Es ist immer das beste Fernsehen, ja, das einzig mögliche Fernsehen; es zeigt sich am Bildschirm nichts als der Kopf und der Oberkörper eines klug sprechenden Menschen, eines Gelehrten. Ganz selten schwenkt die Kamera ins Publikum und zeigt die Zuhörer, die stille halten und die durch ihre Stille die gesprochenen Worte betonen, unterstreichen. Das ist dieselbe traurige Dramaturgie wie in den alten Schlagerfilmen: Als dort zum Beispiel Peter Alexander mit Tanzbewegungen ein Lied herunterbog, wurden dem Zuschauer im Kino Zuschauer im Film gezeigt, Statisten, in deren Gesichtsausdruck sich die Freude über das heruntergebogene Lied samt Tanzbewegungen spiegelten. Beim Vortrag in der "Tele-Akademie" sind die Zuschauer von einer matten Erschöpfung gezeichnet. Vor dem Bildschirm habe ich das Gefühl, wären diese Leut' nicht so müde, sie würden sofort aufspringen und auf der Stelle mit ihrem Leben etwas anfangen. Aber ich täusche mich, denn es ist nichts als die Kultur des Akademischen mit ihren unzähligen Ermüdungsritualen, die so über die Bühne und auf den Bildschirm kommt. Die Vortragenden hingegen haben nicht selten eine muntere Mentalität - und ja, was gibt es Schöneres als einen Ausschnitt aus der Welt, der einen denkenden Menschen zeigt?

In diesem Sinne war in diesem Sommer bei der "Tele-Akademie" ein Mann dran, der nach meiner Ansicht weit über seinen Tod hinaus (er starb ja 2007) zu den wichtigsten Denkern der Glücksfrage zählt: Paul Watzlawick, ein in Österreich geborener, in Amerika arbeitender Psychologe, der in dieser Reihe der Glossen übers Glück noch oft vorkommen wird. Im Sommer 2007 zeigte die "Tele-Akademie" des SWR einen Vortrag von Paul Watzlawick aus dem Jahre 1987, einen historischen Vortrag mit dem Thema: "Wenn die Lösung das Problem ist". Ein Freund von mir, ein Germanist, hat mir gesagt: "Watzlawick, Watzlawick, von dem kenn ich nur Anekdoten, Witze" - und in der Tat, auch der Vortrag von 1987 begann mit einem Witz, und der geht so: Ein französisches Ehepaar wünschte sich nichts seliger als ein Kind. Leider vergingen die Jahre, ohne dass ihr Wunsch in Erfüllung ging. Schließlich wurde die Frau doch schwanger und brachte ein Söhnchen zur Welt. Die Freude der beiden war so unbeschreiblich groß, dass sie mit der Namensgebung des Kindes die Intensität ihrer Freude wiedergeben wollten. Nach langer Überlegung entschlossen sie sich, den Kleinen "Formidable" zu nennen.

Der Arme wuchs mit der Bürde dieses Namens auf. Als Erwachsener blieb er schmächtig und klein, was ihn Zeit seines Lebens zur Zielscheibe lahmer Witze werden ließ, die sich alle auf den Unterschied zwischen seinem Namen und seiner Konstitution bezogen. Monsieur Formidable litt schweigend, doch als er eines Tages auf dem Sterbebett lag, da gestand er seiner Frau: "Ich habe mich, meine Liebe, mein ganzes Leben lang mit diesem blöden Namen abgefunden, nun möchte ich nicht, dass er auch noch auf meinem Grabstein verewigt werde. Schreib du, was du willst, aber erwähne meinen Namen nicht."

Sie versprach es, er starb, und nach langem Überlegen gab sie, da sie ihr Eheleben als wirklich schön und glücklich empfunden hatte, einen Grabstein in Auftrag, auf dem zu lesen steht: "Hier liegt ein Mann, der sein ganzes Leben lang seiner Frau treu und liebevoll ergeben gewesen ist." Jeder, der fortan vorbeikam und die Aufschrift las, sagte unweigerlich: "Tiens, c'est formidable."

Tja, das war ein Witz, etwas langatmig, und der Professor hat ihn gewiss witziger erzählt als ich, aber der Nutzen des langen humorvollen Atems ist in dem Fall klar: Da will man sich ein Problem vom Hals schaffen, denkt lange über die Lösung nach und dann ist es gerade die Lösung, die das Problem wieder erzeugt. Watzlawicks erfolgreichstes Buch hieß: "Anleitung zum Unglücklichsein" - und zu den fatalen Strategien, die ins Unglück führen, gehört eben die einer Lösung, die selber das Problem ist.

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SWR - Tele-Akademie