Erdgaspipeline Nabucco geplant

Österreichs Wettlauf um Erdgas

Die früheren Sowjetrepubliken Zentralasiens haben sich als rohstoffreiche, attraktive Handelspartner entpuppt. Europa will von Russland in der Erdgasversorgung unabhängiger werden und umwirbt diese Länder. Im Mittelpunkt: die Erdgaspipeline Nabucco.

Die früheren Sowjetrepubliken Turkmenistan, Aserbeidschan und Kasachstan verfügen über die reichsten Öl- und Gasvorkommen in Zentralasien. Wichtige Länder für Europas künftige Energieversorgung.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und hochrangige österreichische Manager haben für Europas Bedürfnisse auf einer Reise in die drei Länder geworben. Erste Station: Turkmenistan.

Turkmenbashi regierte eisern

Gleißend und hoch über Ashgabat dreht sich das goldene Abbild des verstorbenen Turkmenbashi - Vater aller Turkmenen- und Langzeitpräsident mit Allmacht - mit dem Sonnenlicht mit. Es soll kein Schatten auf das Gesicht des Politikers fallen. Saparmyrat Nyýazow hat Turkmenistan eisern regiert.

Der Turkmenbashi reduzierte die Sozialausgaben des Staates, er entließ 15.000 Spitalangestellte und ersetzte sie durch Wehrpflichtige. Der Plan war, alle Krankenhäuser im Land zu schließen, bis auf eines in der Hauptstadt. Anfang 2006 wurden auch die Renten und Behindertenzuschüsse drastisch gekürzt.

Turkmenistans Regierungszahlen unglaubwürdig

Turkmenistan ist nach den langen Jahren Nyyazows abgeschottet, hat trotz Unabhängigkeit die Nabelschnur zu Moskau noch nicht durchtrennt. Die turkmenischen Wirtschaftsdaten sind ein Buch mit sieben Siegeln. Wer in Turkmenistan Geschäfte machen will, ist auf Schätzungen angewiesen; die offiziellen Regierungszahlen gelten als unglaubwürdig.

So gibt die turkmenische Regierung das jährliche Wirtschaftswachstum mit 20 Prozent an, die österreichische Wirtschaftskammer spricht von einem konstanten Plus von sechs Prozent jedes Jahr.

Schwerpunkt Energiewirtschaft

Der Schwerpunkt der turkmenischen Wirtschaft liegt in der Energiewirtschaft - und hier beim Gas. In Turkmenistan werden die drittgrößten Gasvorkommen der Welt vermutet. Wer sich in Turkmenistan Lieferungen sichert, ist nicht mehr so stark von Russland abhängig. Kein Wunder, dass sich europäische Politiker derzeit die Klinke zu den Regierungspalästen in die Hand geben.

Im Jahr 2009 laufen die langfristigen turkmenischen Lieferverträge mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom aus, jetzt hoffen Europas Gaskonzerne ins Geschäft zu kommen. Die heimische OMV braucht Gas für die geplante Pipeline Nabucco, die Gas aus der Region um das Kaspische Meer an Russland vorbei über die Türkei nach Baumgarten liefert.

Gazprom Gegner des Nabucco-Projekts

Projektverantwortlicher ist der OMV-Manager Reinhard Mitschek: Er berichtet über 200 Milliarden Kubikmeter künftiger Gasproduktion, mit der Lieferungen nach Russland, nach China und über die Nabucco-Pipeline direkt nach Westeuropa getätigt werden können.

Aus europäischer Sicht ist die russische Gazprom einer der härtesten Gegner des europäischen Nabucco-Projekts. Mitschek meint, dass Westeuropa politische Unterstützung braucht.

Aserbaidschan dreht Ölhähne auf

Einige Steine weggeräumt haben Österreichs Energiemanager und Politiker in Aserbaidschan. Das Land wird gerne mit Österreich verglichen, was nicht unbedingt am Seezugang liegt aber an der Bevölkerungszahl. Acht Millionen Menschen leben in Aserbaidschan. Im Vorjahr lag das BIP bei 19 Milliarden US-Dollar, 2006 wuchs die aserische Wirtschaft plötzlich um 35 Prozent.

Aserbaidschan dreht die Ölhähne jedes Jahr ein bisschen mehr auf, und erhöht die Förderung um einige Millionen Barrel mehr. Neue Pipelines wurden errichtet, in Baku kann man das Öl in jedem Straßenzug riechen. Die OMV hat in Aserbaidschan ein Repräsentanzbüro eröffnet - mit Blick auf das Kaspische Meer. Das Ziel vor Augen, will die OMV Aserbaidschan als Partner für die Nabucco-Projektgesellschaft gewinnen. Österreich hat ein Memorandum of understanding mit Aserbaidschan unterzeichnet, erklärt Wirtschaftsminister Bartenstein.

Kasachstan ist Türöffner zur Region

Dritte Station der Wirtschaftsreise ist Kasachstan. Das Land ist Türöffner für die gesamte Region. Kasachstan ist nicht nur das neuntgrößte Land der Welt, sondern auch eines der rohstoffreichsten. Öl sowieso, in Kasachstan liegt aber auch das drittgrößte Uranvorkommen der Welt. In den 1990er Jahren wurden im kaspischen Meer und in der kasachischen Steppe Erdölreserven gefunden, die als die größten neu entdeckten der vergangenen 30 Jahre gelten.

Durch den Rohstoffhunger von Ländern wie China konnte Kasachstan in den vergangenen Jahren im Schnitt um knapp zehn Prozent pro Jahr wachsen. Mit dem Wachstum ist auch der Finanzsektor des Landes stark geworden, erklärt Österreichs Handelsdelegierter in der Region, Johann Kausl. Die lokalen Banken erfüllen oft nicht die Ansprüche der Kunden ausländische Banken haben daher einen Vorteil. Nicht die Raiffeisen hat als erste im begehrten Kasachstan eine Bank gekauft, sondern die BA-CA hat 85 Prozent an der kasachischen ATF Bank erworben.

EU entsendet Diplomaten

Die EU macht nun ernst mit der Zukunftssicherung der Energieversorgung. Vor zweieinhalb Wochen erst hat die EU einen Diplomaten für das Nabucco-Projekt eingesetzt, den ehemaligen holländischen Außenminister, Jozias van Aartsen. Wien war der Antrittsbesuch, bis Jahresende will er auch die anderen Nabucco-Partner Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei bereisen.

Diese zunehmende Aktivität der Europäer in Kasachstan, Aserbaidschan und Turkmenistan beunruhigt wiederum den Kreml. Wenn Russland Zentralasien nicht mehr kontrollieren kann, dann schmälert das die Gasgeschäfte mit Westeuropa, erzählt ein europäischer Diplomat in Baku. Denn Russland braucht seinerseits Gas aus den zentralasiatischen Republiken, um es vertragsgemäß nach Westeuropa weiterzuleiten.

Spannender Wettlauf
Russlands Einfluss in der Region stammt noch aus Sowjetzeiten; damals wurde das Pipelinenetz gründet. Und alle Pipelines aus den zentralasiatischen Fördergebieten führen seither über Russland. Ein spannender Wettlauf Europas - nicht nur ums Erdgas. Aber van Aartsen meint: Der steigende Erdgasbedarf bietet genügend Geschäfte für alle.