Katalonien ist anders
Gebrauchsanweisung für Katalonien
Katalonien ist das Gastland der heurigen Frankfurter Buchmesse. Seit Francos Tod hat sich Katalonien zur autonomen Gemeinschaft innerhalb Spaniens entwickelt. Um ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren, halten die Katalanen ihre eigene Sprache hoch.
8. April 2017, 21:58
Die Comunitat Autònoma de Catalunya ist eine kleine, stolzgeschwellte Region Spaniens. In Katalonien rühmt man sich gerne der heroischen Geschichte und erzählt, wie im Frühmittelalter ein eigenes Herrschaftsgebiet im Nordosten der iberischen Halbinsel entstanden ist, und zwar auf Initiative des Ritters Wilfried des Behaarten.
Ein drückender Sommerabend vor den Toren von Barcelona, es ist der 11. August 897. Wilfried der Behaarte, alternder Draufgänger und Herrscher über die Grafschaften von Urgell, Serdanya, Girona, Barcelona und Osona, hat mal wieder eine Schlacht gegen die Sarazenen geschlagen. An diesem Tag war das Glück nicht auf seiner Seite. Er liegt schwer verwundet am Feldrand und spürt, dass es mit ihm zu Ende geht. Mit letzter Kraft greift er nach seinem goldenen Schild, taucht die Finger der anderen Hand ins Blut seiner Wunde und zieht damit vier rote Streifen über den Schild. So erfindet der Sterbende Gründer Kataloniens noch schnell das Wappen für sein Reich.
Sprachpolizisten unterwegs
Katalonien ist anders. Um ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren, hebt sich die Region vor allem dadurch vom spanischen Staat ab, dass sie ihre Sprache gegenüber der kastilischen hochhält. In Katalonien gibt es sogar amtliche Formulare, auf denen gemeldet werden kann, wenn ein Geschäft oder ein Gasthaus sein Angebot nicht auf Katalanisch anschreibt.
Die angeschwärzten Etablissements bekommen dann ungefragt Sprachnachhilfe vom Büro für Linguistische Garantien. Im Jahr 2005 zählten die Ämter knapp 1.500 solcher Anzeichen und Beschwerden; statistisch gesehen ging etwa einer von 5.000 Bürgern Kataloniens petzen. Doch wo man sich über Auswüchse der "Normalisierung" wundert sollte man bedenken, dass es einen spanischen Sprachchauvinismus gibt, gegen den sich bisher jede katalanische Kampagne dezent ausnimmt. Das geschnauzte "Hablame en cristiano!", sprich: "Christlich mit mir!", klingt vielen älteren Katalanen noch in den Ohren.
Allerlei Wissenswertes
Auch ein eigenes Symboltier hat sich Katalonien herangezüchtet. Während in Spanien der schwarze Stier aus der Brandy-Werbung der Firma Osborne zum nationalen Emblem geworden ist - ein Pappkamerad, der übrigens mehrmals von rabiaten katalanischen Patrioten attackiert wurde -, hat sich in Katalonien neuerdings ein süßer Esel als Maskottchen durchgesetzt.
Solche und ähnliche grundlegende Informationen über Katalonien sind Michael Ebmeyers "Gebrauchsanweisung für Katalonien" zu entnehmen, darüber hinaus lernt man die katalanische Küche und Mentalität kennen und erfährt Wissenswertes über die katalanischen Heroen von Dalì bis Gaudì. Spürbar wird in dem humorvoll-anekdotenhaften Brevier die Begeisterung des jungen Autors, der seit einem prägenden Erasmus-Stipendienaufenthalt in Katalonien zwischen Barcelona und Berlin pendelt.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Michael Ebmeyer, "Gebrauchsanweisung für Katalonien", Piper Verlag