Deutsche Dominanz in der Frühphase

Das New York Philharmonic

Das New York Philharmonic kann stolz auf dasselbe Gründungsjahr zurückblicken wie die Wiener Philharmoniker. Und im Jahr 1909 übernahm der ehemalige Chef der Wiener Philharmoniker und der Wiener Hofoper die Leitung des New Yorker Philharmoniker.

Mit dem New York Philharmonic geht die Big-Five-Reihe der "Musikgalerie" in die dritte Runde. In einer Stadt mit so sprichwörtlichem Wachstum, mit einer so starken Operntradition - nicht nur was die Met betrifft - verläuft auch die Entwicklung des Konzerlebens bunter und abwechslungsreicher als anderswo.

Schon der heute geläufige Name "Philharmonic" wechselt über die Jahrhunderte. Zuerst gab es eine Philharmonic Society, später auch eine Symphony Society und zeitweise lautete der Name sogar "New York Philharmonic-Symphony-Society".

Das Gründungsjahr

Doch Name ist bekanntlich Schall und Rauch. Jenes Orchester, das heute als New York Philharmonic weltberühmt ist und kürzlich sogar von Kim Yong Ill zu einem Nordkorea-Gastspiel unter dem derzeitigen Chef Lorin Maazel eingeladen wurde, kann stolz auf dasselbe Gründungsjahr zurückblicken wie die Wiener Philharmoniker: 1842. Damals spielte man noch nicht in der Carnegie Hall. Die wurde erst ein halbes Jahrhundert später 1891 eröffnet, übrigens mit einem Konzert, das Tschaikowsky persönlich dirigiert hat.

Bis 1962, bis sie vom Lincoln Center abgelöst wurde, war sie Heimstätte des New York Philharmonic, aber1842 waren die Lokalität des Gründungskonzertes noch die Apollo Rooms, Lower Manhattan. Und das Hauptwerk natürlich eine "Beethoven Symphony" - die "Fünfte", die allerdings mit Rossini-Arien und anderen musikalischen Kulinaria garniert wurde.

Deutsche Auswanderer dominieren das Musikleben

Für die deutsche Dominanz in der Frühphase haben wir Zahlen: Im Jahr 1855 waren von den 67 Orchestermitgliedern 53 in Deutschland geboren, also fast 80 Prozent. Dementsprechend waren die Programme. Unter den prägenden Orchesterleitern des 19. Jahrhundert ist vor allem Leopold Damrosch zu nennen. Er forcierte nicht nur Wagner-Programme, sondern auch solche mit französischer Musik, etwa von Berlioz, ohne - wegen des konservativen Publikums - die Klassik vernachlässigen zu können.

Im Jahr 1909 übernahm der ehemalige Chef der Wiener Philharmoniker und der Wiener Hofoper die Leitung des New Yorker Philharmoniker: Gustav Mahler. Aber es war schon zu spät für einen nachhaltigen Einfluss. Zwei Jahre danach starb er.

Künstlerische Identitätskrise nach den Mahler-Jahren

In der Zwischenkriegszeit hatte es das New Yorker Orchester schwer, den Platzhirschen zu spielen, weil auf Grund der geringen Distanz das Philadelphia Orchestra immer öfter nach Manhattan kam, um dort zu gastieren. Und die hatten mit Stokowski auch den interessantesten künstlerischen Leiter dieser Zeit, der die sensationellsten Projekte organisierte, wie etwa 1916 erstmals Mahlers "Symphonie der 1.000" in Amerika, oder etwas später die amerikanische Erstaufführung von Schönbergs "Gurreliedern".

Stokowski bekam erst 1924 Konkurrenz, als Koussevitzky sich in Boston - und auch von dort mit New-York-Gastspielen - als Pultstar von starker Individualität zu profilieren begann und dann erst recht ab 1928, als Toscanini die Chefposition beim New York Philharmonic antrat. Der machte zwar keine so originellen Programme wie Stokowski und Koussevitzky, kompensierte das aber mit Temperament und Charisma.

Toscanini als Spitzenreiter unter den Pultstars

In der ersten Hälfte der 1930er Jahre war der Name Toscanini so populär, dass er im Weltbild des Durchschnittsamerikaners im selben Maße mit Musik assoziiert wurde, wie der Einsteins mit Mathematik. Dass in den ersten Jahren der NS-Zeit ein Protest ausgelöst wurde, als ausgerechnet Furtwängler Toscaninis Nachfolger in New York werden sollte, kann nicht verwundern und führte dazu, dass dann improvisiert ein in den USA völlig Unbekannter aus England Chef der New Yorker Philharmoniker wurde: John Barbirolli, damals noch nicht vom britischen König geadelt.

Trotz des übermächtigen Vorgängers und Konkurrenten Toscanini setzt er sich durch und wurde verlängert. Auf Barbirolli folgte für vier Jahre Arthur Rodzinski - ein Tyrann wie Toscanini - kurzfristig gab es Auftritte und Einflüsse von Bruno Walter und Leopold Stokowski und dann übernahm fast ein Jahrzehnt lang der Grieche Dmitri Mitropoulos die Leitung, viel zu konziliant und zu wenig durchsetzungsfähig, dennoch aber für hochexpressive, höchst individuelle Interpretation von Werken der Spätromantik und des 20. Jahrhunderts gut.

Lennie als erster US-Bürger

1959 überließ er die Leitung des Orchesters - wie man sagte als gebrochener Mann - Leonard Bernstein, einem Vorkämpfer für die Musik Gustav Mahlers. So spät erst gelangte der erste geborener Amerikaner an die Spitze des New York Philharmonic. Heute ist es - mit Lorin Maazel - zwar wieder ein amerikanischer Staatsbürger - geboren allerdings in Frankreich.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Die großen Fünf
Das Boston Symphony Orchestra

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 15. Oktober 2007, 10:05 Uhr

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New York Philharmonic