Wenn das Klima zur Bedrohung wird

Das Wetter von morgen

Der britische Journalist Fred Pearce hat für sein Buch "Das Wetter von morgen" die neuesten Erkenntnisse der weltweiten Klimaforschung zusammengetragen. Seine Recherchen sind eine eindringliche Bestandsaufnahme vom Zustand unserer Erde.

Willkommen im Anthropozän. Dies ist das neue Erdzeitalter, also sehen Sie sich gut um. Eine einzige Spezies trägt die Verantwortung für den Planeten und verändert mehr oder weniger willkürlich dessen Erscheinungsbild. Was liegt da näher, als diese neue Ära nach dem Primaten zu benennen, der ganz oben in der Hierarchie steht, also uns selbst?

Dem Autor Fred Pearce gefällt es, die Kapitel in seinem Buch mit herausfordernden Fragen zu beginnen und mit unheilvollen Szenarien zu beenden.

Vielleicht ähnelt die heutige Situation am ehesten der vor 55 Millionen Jahren. Damals geschah es zum letzten Mal, dass innerhalb kurzer Zeit eine riesige Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangte.

Menschheit in der Zwangslage

Der britische Journalist Fred Pearce, der seit 20 Jahren für die Zeitschrift "New Scientist" über den Klimawandel berichtet, befasst sich in seinem Buch zum Großteil mit der Geschichte des Klimas.

Fred Pearces akribisch durchgeführte Recherchen verdeutlichen, dass wir uns heute in einer einzigartigen Zwangslage befinden. Fast alle Entwicklungen in der Vergangenheit wurden von Veränderungen in der Sonnenstrahlung ausgelöst, die durch die Stratosphäre zu uns dringt. Einschneidende Veränderungen der Meeresströmungen und der Landvegetation etwa waren Folgen der Sonnenimpulse. Heute ist der Mensch für den Klimawandel hauptverantwortlich.

Lebenserhaltungssystem in Gefahr

Wir reichern die Atmosphäre mit Aerosolen an, wir zerstören Kohlenstofflager wie die Regenwälder und blasen ozonfressende Chemikalien in die Stratosphäre. Wie die Monster des Erdsystems darauf reagieren werden, kann niemand mit Gewissheit sagen.

Auch wenn Fred Pearce gerne "Monster" heraufbeschwört, wenn er vom Klimawandel spricht, so bleibt seine Argumentation auf den 300 Seiten sachlich, so sachlich, dass man mitunter meint, hier schreibe ein Wissenschafter und kein Journalist. Die internationale Szene der Klimaforscher in den Polarregionen und in den Tropen liebt Pearce. Sie rennen ihm die Türe ein, denn Fred Pearce ist ihr Sprachrohr. Er berichtet vom weltgrößten Sumpfgebiet Sibiriens, in dem auftauende Permafrostböden nahezu unbemerkt Millionen Tonnen Methan freisetzen, bis zur Antarktis, in der unterirdische Flusssysteme aus Schmelzwasser die Eisdecke zu destabilisieren drohen.

Die Menschheit steht vor einer völlig neuen Situation. Was wir erleben, ist keine Umweltkrise im herkömmlichen Sinne, sondern eine Krise des gesamten Lebenserhaltungssystems unserer Zivilisation und unserer Spezies. In den vergangenen 10.000 Jahren, seit dem Ende der letzen Eiszeit, haben Kulturen ihre Umwelt ausgeplündert und zerstört und die natürliche Produktivität ganzer Regionen zunichte gemacht. Trotzdem sind die Lebenserhaltungssysteme unseres Planeten im Ganzen bislang intakt geblieben. Wenn eine Kultur unterging, kam eine andere zur Blüte. Doch jetzt haben sich die Spielregeln verändert. Im Anthropozän sind menschliche Eingriffe in die Erdsysteme weltumfassend und folgenreich geworden.

Ära der Zerstörung

Der Begriff Anthropozän wurde im Jahr 2000 von dem niederländischen Nobelpreisträger und Atmosphärenforscher Paul Crutzen für die letzten zwei Jahrhunderte der Erdentwicklung geprägt. Eine neue erdgeschichtliche Ära: Wir nehmen der Natur ihre Kapazitäten, sich selbst zu regenerieren.

Gegenwärtig schleudern wir jedes Jahr etwa 7,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre. Gut 40 Prozent davon werden in kürzester Zeit von den Meeren und der Landvegetation aufgenommen. Der Rest bleibt in der Luft, mit einer Lebenserwartung von über 100 Jahren. (...) Wenn die gegenwärtige Emission unverändert bleibt, heißt das, dass wir noch vor dem Jahr 2020 die Sicherheitsmenge von 850 Milliarden Tonnen überschritten haben werden. Sollten die Emissionen allerdings zunehmen wie bisher, werden wir diesen Punkt bereits in weniger als zehn Jahren erreicht haben.

Jetzt oder nie

"The Last Generation" ist der Titel des Buches im englischen Original. Fred Pearce behauptet, dass wir die letzte Generation wären, die sich auf annähernd stabile Klimabedingungen verlassen könne. Was die Zukunft bringe, sei ungewiss. In seinen Schlussfolgerungen muss der Autor die Leserinnen und Leser enttäuschen, die sein Buch in der Hoffnung auf eine sichere Prognose für unseren Planeten gelesen haben. Fest steht nur, dass wir uns in unserer Energiewirtschaft von unserem "business as usual" endgültig verabschieden müssen. Jetzt oder nie, verlangt Fred Pearce.

Als ich mich 1989 zum ersten Mal ausführlich in einem Buch mit dem Titel "Treibhaus Erde" mit dem Klimawandel befasste, äußerte ich warnend, wir Reisende auf dem Raumschiff Erde dürften uns nicht länger ruhig zurücklehnen, sondern sollten das Steuer in die Hand nehmen, um die Risiken zu minimieren. Heute, 15 Jahre später, steht uns die unmittelbare Gefahr der Klimakrise viel deutlicher vor den Augen, auch wenn die Zusammenhänge mittlerweile ein wenig komplexer erscheinen. (...) Dennoch glaube ich, dass es selbst zu diesem späten Zeitpunkt in unserer Macht liegt das Raumschiff Erde wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Aber viel Zeit bleibt uns nicht.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Fred Pearce, "Das Wetter von morgen. Wenn das Klima zur Bedrohung wird", Kunstmann Verlag