Die Dorfschule von Äinää-Vähimaa
Die beste Schule der Welt
Ein altes Holzhaus, 22 Schülerinnen und Schüler im Alter von sechs bis 13 Jahren, aufgeteilt auf zwei Schulklassen, zwei Lehrer. Rundherum endlose Wälder - in Dorfschulen wie dieser wird der Grund für den Erfolg des finnischen Bildungswesens gelegt.
8. April 2017, 21:58
Unter den Kindern auf der Bank vor dem Eingang ein dick vermummter Bub. "Seine Eltern haben angerufen und ihn krank gemeldet, aber er hat es nicht ausgehalten und ist trotzdem gekommen", erklärt Juha Kulju, der Lehrer. Auch krank will der Achtjährige keinen Tag ohne Schule verbringen. Kann der Besuch bei dieser kleinen Dorfschule Antworten auf die Frage geben, warum finnische Jugendliche bei PISA und anderen internationalen Leistungsvergleichen so gut abschneiden?
Was braucht eine gute Schule?
Hyvää huomenta! Guten Morgen! 22 Schülerinnen und Schüler begrüßen ihre beiden Lehrer: Juha "Jussi" Kulju und Tanja Holopainen, sie ist auch die Direktorin. Beide werden mit Vornamen angesprochen - Juha unterrichtet die Zehn- bis 13-Jährigen, Tanja die Sieben- bis Neunjährigen. Er außerdem Sport und Religion, sie Musik für alle. Bevor Tanja gekommen sei, hätte er mit dem Musikunterricht seine liebe Not gehabt, lacht Juha, denn er könne nicht Klavier spielen. In einer größeren Schule gibt es immer einen Kollegen, der etwas besser kann, aber hier müsse man alles selbst übernehmen.
Es braucht scheinbar nicht viel für eine Schule: ein Holzhaus aus den 1920er Jahren, darin ein geräumiges Klassenzimmer, ein Turnsaal, zugleich Festsaal für das Dorf, und eine Werkstatt. Die Werkbänke seien schon ziemlich alt, entschuldigt sich Juha, aber sie tun es noch. Im ersten Stock der Kindergarten mit derzeit neun Kindern. Die Großen und die Kleinen feiern gemeinsam, wenn es einen Anlass gibt, und machen gemeinsam Ausflüge. Viel Zeit wird im Freien verbracht. Auch heute ist die Kindergärtnerin mit ihrer Gruppe im Wald. Um elf Uhr gibt es ein warmes Mittagessen für alle, wie eine große Familie essen Lehrer und Schüler gemeinsam im kleinen Speisesaal. Diese Schule hat - ausnahmsweise - keine eigene Köchin, das Essen kommt von einer größeren Schule im nächsten Ort.
Gemeinsam lernen, gemeinsam leben
Sechs Jahre lang lernen und - mehr noch - leben die Schüler gemeinsam, bevor sie zur dreijährigen Grundschule-Oberstufe in den Hauptort der Gemeinde Asikkala (unweit Lahti) fahren. Die kleine Schule ist nicht ungewöhnlich; vier von zehn Grundschulen in Finnland haben weniger als 50 Schüler.
Hier ist besonders augenscheinlich, was in der finnischen Schulphilosophie wichtig ist: Die gute Gemeinschaft ist die Grundlage für alles andere, das gilt auch später in den weiterführenden Schulen. Jeder und jede einzelne wird von der Gruppe mitgetragen, die Schulen bieten auch Nachhilfe, Unterstützung bei Lernschwierigkeiten oder Lese-Rechtschreib-Schwäche an. In den Großstädten kommt dazu intensiver Vorbereitungsunterricht für Kinder aus Migrantenfamilien. Private Nachhilfe ist in Finnland unbekannt.
Traumberuf Lehrer
Lehrer, und vor allem Grundschullehrer, gilt in Finnland als einer der verantwortungsvollsten und meistbegehrten Berufe. Die Universitäten können sich ihre Studierenden aussuchen; für die Grundschul-Ausbildung in Helsinki wird nur einer von 14 Bewerbern aufgenommen. Satu Grünthal, als Professorin für finnische Sprache und Literatur seit Jahren in der Lehrerausbildung tätig, sieht darin ein Erbe der ländlichen Tradition Finnlands - nach wie vor tragen Lehrer und Schulen das kulturelle und gesellige Leben in den Dörfern mit. So auch in Äinää-Vähimaa.
Doch die Zeiten verändern sich. Die Menschen siedeln vom Norden in den Süden um, und von entlegenen Dörfern in die Hauptorte der Gemeinden. Mit 22 Schülern verfehlt die Schule von Äinää-Vähimaa heuer zum ersten Mal die von der Gemeinde gesetzte Mindestzahl von 24. Bleibt das drei Jahre so, wird die Schule geschlossen werden. Tanja, die Direktorin, kann sich das noch nicht vorstellen, für sie wird es ihre Schule immer weiter geben.
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Schule von Äinää-Vähimaa (finnisch)
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