Ein Magichnicht-Gericht

Gefüllte Paprika, ein Kindheitstrauma

Sechs Gäste habe ich eingeladen, da ist die Zusammenstellung eines passenden Menüs eine große Herausforderung. Das wirklich Schwierige ist es, etwas zu finden, was allen schmeckt und die Eitelkeit der oder des Kochenden zufrieden stellt.

"Mag ich nicht", ist einer der Lieblingssätze von Kindern, kaum wird ihnen ein Gericht vorgesetzt. Fisch, der wie Fisch aussieht, erntet Protestgeschrei, geröstete Nierndl sind für die meisten kulinarisches Pfuigack, die gebackenen Melanzanischeiben werden umgehend als "leider kein Schnitzel" enttarnt und bedrohlich aussehende Meeresfrüchte werden mit einer dermaßen verachtungsvollen Grimassenschneiderei bedacht, dass man ihnen den servierten Teller reflexartig wieder entzieht, um keine Dauerschäden zu verursachen.

Zu meinen definitiven "Magichnicht-Gerichten" gehörten schon immer die "gefüllten Paprika". Ich erkläre mir meine Abneigung mit der Verwendung von unreifen, grünen Paprika, die nach dem Schmoren einen leichten Bitterton im Geschmack aufweisen. Vermutlich wird deshalb die dazugehörige Tomatensoße mit Vorliebe brachial überzuckert, was die Kombination mit der Fülle aus Faschiertem und Reis auch nicht mehr zu retten im Stande ist.

Lange kannte ich überhaupt nichts anderes als grüne Paprika. Dabei verdanken wir diese in unseren Breiten einem schlichten Versagen des Klimas. Reife Paprika sind rot, gelb oder orange. Warum auch heute in vielen Rezepten noch grüne Paprika als Grundprodukt vorgeschrieben werden, ist mir ein Rätsel.

Mag ich nicht, darf ich nicht, esse ich aus Gründen der Ethik nicht.

Sechs Gäste habe ich fürs Wochenende eingeladen, da ist die Zusammenstellung eines passenden Menüs eine große Herausforderung. Zwei Drittel gehören zum Beispiel der Abteilung "Blutwurst-Magichnicht" an, für die werde ich versuchen die Blunzenmaki statt mit der abgeneigten Wurst mit Rauna-Tofu zu füllen, schon wegen der Farbe, auf jeden Fall weil es Herbst ist und natürlich weil ich Raunen gern esse, aber eben auch Blutwurst. Für alle, die keine Raunen kennen, man sagt auch rote Beete dazu.

Von mindestens zwei Gästen weiß ich, dass sie keine Kuhmilchprodukte vertragen -was mir recht ist, da ich Kuhmilch schon seit meiner Kindheit nicht mag- und nur zwei lieben so wie ich deftige Braten. Stubenkücken, Wachteln, Milchlämmer und dergleichen liebliches Getier wird von einem Teil der Gäste glatt verweigert, sie bekommen Taboulé und Glasnudelsalat in Kurkuma-Vinaigrette. Der Vorschlag, geschmorte Kalbsbackerln mit Hagebuttensauce als Hauptspeise zu kredenzen, wurde von weiblichen Gästen mit heftigem Protest abgeschmettert. Das wirklich Schwierige ist es, etwas zu finden, was allen schmeckt und gleichzeitig die Eitelkeit der oder des Kochenden zufrieden stellt. Zur Strafe gibt es Gabelbissen. Selbst gemacht selbstverständlich. Mit geräucherter Forelle garniert und einer Schicht aus Gemüsetee-Gelee, dazu ein kernweiches Wachtelei. Kinder sind keine dabei, aber ich habe den leisen Verdacht, mit dem Gabelbissen hätte ich Chancen bei ihnen.

Was gibt es zum Dessert?!?

Gäste, die diese Frage schon beim Ankommen stellen, machen sich bei mir unbeliebt. Ich stelle mir dann vor, wie ich sie zwinge, eine Portion "gefüllte Paprika" zu essen, wie ich sie als Kind serviert bekam.

"Und...?" würde ich dann fragen, während sie meiner Vorstellung nach die einzelnen Bissen hinunterwürgen müssen: "Ist das nicht genial, schmeckt ihr, wie köstlich süß der Tomatengatsch ist? Ein Gericht, bei dem das Dessert schon mitgeliefert wird." Aber Vorstellung und reichlich gefüllte Sprechblasen sind zweierlei Sache, deshalb hudle ich in der Regel ein diplomatisches Wortkompromisserl hervor und gebe mich geheimnisvoll: "Lasst euch überraschen!"

Hör-Tipp
Moment, Montag bis Freitag, 17:09 Uhr