Ein Fressen für die Klatschpresse

Das Phänomen Maria Jeritza

"Nimm die Marilyn Monroe, die Birgit Nilsson und die Paula Wessely zusammen, dann hast du ein Viertel der Jeritza", schwärmte Marcel Prawy über Maria Jeritza. Prawy war nicht der einzige Jeritza-Fan. Die Komponisten haben sich um Jeritza gerissen.

Marcel Prawy über die Entstehung der "liegenden Tosca"

Vergleiche sind natürlich immer problematisch, aber was etwa die Malibran oder Jenny Lind im 19. Jahrhundert waren und was heutzutage vielleicht die Bartoli oder die Netrebko sind, das war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Maria Callas und in der ersten Hälfte ohne Zweifel Maria Jeritza.

Die Jeritza war dabei auch die letzte Primadonna, um die sich die Komponisten gerissen haben - von Puccini über Strauss bis Lehar - und die damit in der Lage gewesen ist, den Spielplan von New York bis Wien maßgeblich zu beeinflussen.

Ein Wort- und Tonsymbol

"Maria Jeritza - ein Künstlername, der wie blaues Feuer gegen einen roten Himmel brennt, eine aufschäumende Kaskade, ein Wort- und Tonsymbol", hat Anton Odelga als Zeitzeuge über sie geschrieben: "Sie durfte alles, auch Falsches, machen, im Spiegel ihres Talentes verwandelte sich alles in strahlende Helle." Und Marcel Prawy, glühender Jeritza-Fan von Kindesbeinen an und später bis zu ihrem Tod mit ihr freundschaftlich verbunden, formulierte es am Ende seines Lebens noch bildhafter: "Nimm die Marilyn Monroe, die Birgit Nilsson und die Paula Wessely zusammen, dann hast du ein Viertel der Jeritza."

Die Jeritza, das war nicht nur für Opernfreaks ein magischer Name, sie war auch ein gesellschaftliches Phänomen, für das sich jedermann interessiert hat. Rivalisierende Kolleginnen, eifersüchtige Tenöre, Liaisonen in höchsten Adelskreisen, dazu vier Ehemänner, das war natürlich ein Fressen für die Klatschpresse, ja sogar eine Art Schlüsselroman wurde über sie geschrieben ("Bagage! Reigen um eine Sängerin", Wien 1931), dessen offizielles Erscheinen sie aber (mit Erfolg) gerichtlich bekämpft hat.

Erfolge unter Max Reinhardt

Geboren wurde sie als Maria Marcellina Jedlicka am 6. Oktober 1887 in Brünn. Ihr Debüt als Solistin fand am 30. Dezember 1905 in Olmütz als Elsa in Wagners Lohengrin statt; mit der gleichen Rolle gab sie zwei Jahre später auch an der Wiener Volksoper ihre Antrittsvorstellung. 1911 feierte sie unter der Oberleitung von Max Reinhardt große Erfolge als Offenbach-Interpretin in München.

1912 endlich debütiert sie an der Wiener Hofoper, im Folgejahr vertraut ihr Richard Strauss die Titelrolle in "Ariadne auf Naxos" bei der Uraufführung in Stuttgart an. 1918 wird sie schließlich die erste Salome an der Wiener Hofoper und ist ebenso ein Jahr später bei der Premiere der "Frau ohne Schatten" als Kaiserin mit von der Partie.

Triumphe nach dem Comeback

1921 singt sie erstmals an der MET (Korngolds "Tote Stadt"), wo sie fünf Jahre später auch in der dortigen Erstaufführung der "Turandot" gefeiert wird. Mitte der 1930er Jahre zieht sie sich langsam von der Bühne zurück, gibt nur mehr vereinzelt Konzerte, wagt aber nach dem Krieg ein Comeback und feiert als Mittsechzigerin vor allem in Wien noch Triumphe in ihren alten Glanzrollen als Tosca, Santuzza, Mädchen aus dem goldenen Westen und Salome.

Insgesamt war das Repertoire von Maria Jeritza weitaus vielseitiger als das ihrer Konkurrentinnen und Nachfolgerinnen. Zwar gilt sie heute insbesondere als Primadonna des Verismo, als die sie vor allem Giacomo Puccini so geschätzt hat, doch war sie ebenso mit Wagner- und Verdi-Rollen erfolgreich, als Bizets "Carmen", mit einer Reihe von Operetten-Partien und natürlich mit Richard Strauss, der fast zu jedem künstlerischem Kompromiss bereit war, nur um sie in seinen Opern auf die Bühne zu bringen.

Anekdoten aus der Monarchie

Köstliche Anekdoten über die "alte Jeritza" berichtet Marcel Prawy in seinen Memoiren, so auch über ihre Vorliebe für die österreichische Monarchie: "Du willst nicht, dass die Habsburger wieder regieren?" meinte sie zu Prawy. "Wohin du in Österreich auch gehst, überall findest du Spuren der Habsburger. Bist du schon einmal vor Schloss Schönbrunn gestanden? Warst du schon in der Kapuzinergruft? Mir brauchst du nichts zu sagen. Ich habe ja eine Villa gehabt, in Unterach am Attersee, da waren sie doch alle bei mir zu Besuch ... die Deppen!"

Ihren Lebensabend hat Maria Jeritza dennoch in den USA verbracht, wo sie nach jahrelangem Siechtum schließlich am 10. Juli 1982 gestorben ist. Unweit ihres Hauses in Newark liegt sie auch begraben.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 23. Oktober 2007, 15:06 Uhr