Israels Einfluss auf die USA

Die Israel-Lobby

Lobbys spielen im politischen System der USA eine unabdingbare Rolle. Eine der stärksten sei die "Israel-Lobby", meinen Stephen Walt und John Mearsheimer, die von der bedingungslosen Unterstützung Israels durch die USA nicht viel halten, in ihrem Buch.

Die Kernthese der beiden angesehenen Politologen Stephen Walt und John Mearsheimer in ihrem Buch besagt:

Die finanziellen Hilfen und der Schutz für Israel mögen auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ein Plus für die Vereinigten Staaten ergeben haben. Doch heute macht die enge amerikanische Beziehung zu Israel – und besonders Amerikas Bereitschaft Israel zu unterstützen, egal, welche Politik es verfolgt – die Amerikaner weder sicherer noch reicher.

Eines muss man Stephen Walt und John Mearsheimer lassen: Sie haben Stehvermögen. Im März 2006 veröffentlichten sie in der 'London Review of Books' ihren Essay über den, ihrer Meinung nach, zu starken Einfluss der Israel-Lobby auf die amerikanische Außenpolitik. Proteststürme blieben nicht aus. Diesen Monat erschien nun gleichzeitig in zehn Sprachen – ausgenommen Hebräisch - die Buchversion. Dadurch hat die heftige Kritik an den beiden Politologen wieder Aufschwung bekommen.

Tabuthema in den USA

Die bedingungslose Unterstützung Israels durch die USA sei eines der größten Tabuthemen der amerikanischen Politik, meint Stephen Walt. Diesen Zustand wollten die Autoren bewusst ändern. "Wir wollten Raum schaffen für eine ehrlichere und offenere Debatte über die Nahostpolitik sowie über die Kräfte, die sie formen", so Walt. "Wir dachten uns, dass nach dem 11. September und nun mit dem Irak-Krieg klar ist, dass die amerikanische Nahostpolitik völlig entgleist ist."

Die Israel-Lobby, betonen die Politologen, sei keine Gruppe von Weltverschwörern. Sie ist auch kein Monolith. Und nichts an ihr ist illegal. "Wir beschreiben die Lobby als eine lose Koalition von Individuen und Organisationen, die sich aktiv bemühen, die amerikanische Nah-Ost-Politik auf einen Pro-Israel-Kurs zu dirigieren", so Mearsheimer. "Wir betonen auch, dass wir nicht von einer jüdischen Lobby reden. Wir sprechen von ein Israel-Lobby."

Die wahre Macht im Staat

Interessenvertretungen spielen im politischen System der USA eine unabdingbare Rolle. Die Stärke einer Lobby offenbart sich unter anderem darin, wie effektiv sie in den Medien eine Debatte manipuliert oder wie geschickt sie zu den politischen Kandidaten ihrer Wahl möglichst hohe Spenden schleust oder wie wirksam sie amtierende Politiker, die eigene Meinungen entwickeln, unter Druck setzt.

Wie rasch und unerbittlich die konservativ dominierte Israel-Lobby einschreitet, beweise ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit, erzählt Stephen Walt. Barak Obama, der schwarze Kandidat für die demokratische Präsidentschaftsnominierung, hat Zbigniew Brzezinski, ehemals Präsident Jimmy Carters Sicherheitsberater, für seinen Stab engagiert.

"Der einzige Einwand gegen Brzezinski nun ist: Nach dem Erscheinen unseres Essays in der 'London Review of Books' hat er in einem kurzen Artikel geschrieben, dass wir ein paar wichtige Punkte angeführt hatten", erzählt Walt. "Wenn man jemanden wie Zbigniew Brzezinski angreift, der mit seinen 79 Jahren sicher nicht für die nächste Regierung arbeiten wird, dann ist das ein Warnsignal für andere."

Debatten und Kritik unerwünscht

Die Nibelungentreue der USA gegenüber Israel lässt sich an vielem darstellen: Etwa an den drei Milliarden Dollar Finanzhilfe, die Israel von den USA bezieht. Oder an den insgesamt 42 Israel-kritischen UNO-Resolutionen des Sicherheitsrates, gegen die die USA als Israels Schirmherr zwischen 1972 und 2006 ihr Veto einlegten. So viel Treue sei nicht nur für die USA zum Nachteil, erklärt Mearsheimer:

"Da man Israel nicht kritisieren darf, sind wir in der Situation, dass Israel törichte Strategien verfolgen kann, wie etwa den Libanonkrieg 2006 oder die Besiedelung der besetzten Gebiete. Das alles war zu Israels Nachteil. Doch Amerikaner können Israel nicht zu einer Verhaltensänderung bringen, weil es so schwierig ist, Kritik zu üben."

Die Politikwissenschaftler zählen in den USA zur Denkschule der Realisten. Das heißt, sie beurteilen Außenpolitik nicht nach moralischen Kriterien, sondern danach, was im nationalen Interesse eines Landes ist. Lösungen für die Abkoppelung der amerikanischen Politik von israelischen Interessen werden von den Autoren in ihrem Buch nur skizziert. Sie hoffen auf längere Sicht, dass kleine Gruppen in der Lobby, die für einen unabhängigen Palästinenserstaat plädieren, künftig stärker und dadurch mehr gehört werden. Kurzfristig wären sie schon zufrieden, wenn sich Debatten entwickelten, die nicht an Schlammschlachten erinnern.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Stephen Walt, John Mearsheimer, "Die Israel-Lobby. Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird", Campus Verlag

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