Was wäre der Westen ohne den Osten?

Kampfabsage

Ein westlicher und ein östlicher Autor, Ilija Trojanow und Ranjit Hoskote, haben sich zusammengetan, um eine friedliche Streitschrift zu verfassen. In "Kampfabsage" belegen die Autoren, dass unsere westliche Kultur von Einflüssen aus dem Osten lebt.

Die Vermischung, bzw. der Zusammenfluss von Kulturen ist das zentrale Thema der friedlichen Streitschrift "Kampfabsage", die ein westlicher und ein östlicher Autor miteinander verfasst haben. Ursprünglich war es ein mit Wissen gesättigtes akademisches Werk auf hohem theoretischem Niveau, das vielleicht 2.000 Menschen gelesen hätten, die ohnehin derselben Meinung sind. Nun ist es eine leicht lesbare, nichtsdestoweniger fundierte Abhandlung, mit der Ilija Trojanow und Ranjit Hoskote auch mit den Mitteln des Humors zu belegen versuchen, dass unsere westliche Kultur ohne Einflüsse aus dem Osten nicht das geworden wäre, was sie heute ist.

Beide Seiten der Medaille

Die Exempel sind aus der Geschichte und aus dem aktuellen Leben gegriffen. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass die Olé-Rufe in unseren Fußballstadien auf eine Meditationstechnik der Sufis, Anhänger eines weltoffenen Islam, zurückgeht, die das Wort "Allah" so schnell hintereinander aussprachen, bis es wie "Ole" klang? Wer hätte gewusst, dass die Gabel eine Erfindung des Orients ist, die im 13. Jahrhundert von einer byzantinischen Prinzessin nach Venedig gebracht wurde? Sehr zum Leidwesen des Erzbischofs, der sie für ein gottloses Instrument hielt, und allen, die sie verwendeten, mit Exkommunikation drohte? Wem ist bewusst, dass die aus westlichen Gesellschaften nicht mehr wegzudenkende Trennung zwischen Kirche und Staat auf den Einfluss islamischer Philosophen aus dem 11. Jahrhundert zurückgeht?

Man könnte einwenden, dass die schönsten Beispiele aus der Geschichte, mit denen die Autoren einen weltoffenen, toleranten Islam aus vergangenen Jahrhunderten beschwören, nichts an der aktuellen politischen Situation ändern, in der sich der Westen von fundamentalistischen Strömungen bedroht sieht. Doch dieser Vorwurf trifft nicht, denn Trojanow und Hoskote beschreiben auch die Kehrseite der Medaille und zeigen, dass Zusammenfluss oder confluence nicht nur im positiven, sondern auch im negativen Sinn funktioniert, denn der islamistische Fundamentalismus, den wir heute als den größten Feind unserer westlichen Freiheit empfinden, ist nicht zuletzt als Reaktion der kolonialisierten Welt auf die Omnipotenz und Präpotenz der Kolonialmächte zustande gekommen.

"Da zeigen wir auf, dass der größte Theoretiker, den es überhaupt gibt, ein Mann Namens Said Qutb, ein Mann von überragender Vorbildbedeutung für diese ganzen Bewegungen, in ganz hohem Maße von Lenins revolutionärer Avantgarde-Idee oder Nietzsche beeinflusst war", erzählt Trojanow. "Das waren Leute, die Aspekte der Moderne aufgesogen und umgepolt haben, um gegen die Allmacht des Westens eigene Verteidigungsstrategien zu entwickeln."

Das Geschenk der Fremde

Hilft es, etwas über die Ursachen politischer Fehlentwicklungen zu wissen? Trojanow und Hoskote sind davon überzeugt. Warnungen vor "Mekka-Deutschland", wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor einigen Monaten titelte, halten sie für überzogen. Gebe es beispielsweise nur einen einzigen islamischen Abgeordneten im deutschen Bundestag? Man möge, schlagen Trojanow und Hoskote vor, endlich damit aufhören, den Islam pauschal als rückständig, intolerant und gefährlich abzustempeln. Man möge - ohne die heutigen Konflikte zu bagatellisieren - an die weltoffene Tradition des Islam anknüpfen, die beispielsweise in der aktuellen Bewegung des Sufismus weiterlebt.

Man möge gerechterweise nicht nur über das Kopftuchgebot bei islamischen Frauen sprechen, sondern auch über die pornografische Ausbeutung des weiblichen Körpers im Westen. Und: Man solle endlich damit aufhören, kulturelle Unterschiede politisch zu missbrauchen. Dazu möchte das Buch "Kampfabsage" ein Anstoß sein, "weil es die Absicht dieses Buches ist, die Menschen in ihrer Einstellung zu dem, was Fremde ist, ein wenig zu verändern", so Trojanow, "zu zeigen, dass Fremde ein ganz großes Geschenke ist. Alle, die Beziehung haben zur Kultur, für die Kultur etwas Lebensnotwendiges, Beglückendes und Bereicherndes ist, sollten unserer Ansicht nach erkennen, dass Kultur Fremde braucht und dass Fremde nicht eine Bedrohung, sondern ein Geschenk ist."

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 28. Oktober 2007, 18:15 Uhr

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Buch-Tipp
Ilija Trojanow, Ranjit Hoskote, "Kampfabsage", Karl Blessing Verlag

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Karl Blessing Verlag