"Der Islam ist eine Herrschaftskultur"
Mina Ahadi, Ex-Muslima
Die aus dem Iran stammende Mina Ahadi ist Feministin, österreichische Staatsbürgerin und Vorsitzende des deutschen "Zentralrats der Ex-Muslime". Sie fordert für sich dasselbe Recht ein, wie es andere haben, nämlich aus ihrer Religion austreten zu können.
8. April 2017, 21:58
Wer sich mit Mina Ahadi treffen will, erfährt erst knapp vorher den Treffpunkt. Ich werde in einen Vorort von Köln bestellt, in die Wohnung einer persischen Familie. Mina Ahadi ist die Vorsitzende eines Vereins mit provokantem Namen: "Zentralrat der Ex-Muslime".
Übertrieben dürfte ihre Vorsicht nicht sein: Ihr holländisches Pendant, Ehsan Jami, wurde vor kurzem auf der Straße niedergeschlagen. Der Name der Organisation lehnt sich an die Bezeichnung des Dachverbands der islamischen Vereine in der Deutschland an, der "Zentralverband der Muslime" heißt.
Keine verbindlichen Regeln
"Die Ex-Muslime wollen ein Zeichen setzen und sagen: Wir sind nicht mehr Muslime", sagt Ahadi. Doch dieses Zeichen-Setzen ist nicht ganz ungefährlich, denn der Islam hat ja keinerlei oberste Instanz, die verbindliche Regeln für alle festlegt, daher ist die Auslegung seiner Lehre unterschiedlich: Während der offizielle "Zentralrat der deutschen Muslime" das Recht zum Religionswechsel bejaht, kann man nach der Ansicht von ultra-orthodoxen Muslimen aus dem Islam nicht austreten. Sie sehen die Ausgetretenen als Apostaten, als Abtrünnige, die nach der Scharia, also dem islamischen Recht, mit dem Tod bestraft werden können.
Die Ex-Muslime fordern für sich also dasselbe Recht ein, wie es auch andere haben, nämlich aus seiner Religion schlicht austreten zu können. Ihr Slogan wie ihr Plakat erinnern an das Titelblatt der Zeitschrift "Stern" aus dem Juni 1971, das damals die Kampagne zur Liberalisierung der Abtreibung eröffnete. In einer Broschüre heißt es:
Dass wir mit der Kampagne "Wir haben abgeschworen!" auf die alte Kampagne der Frauenbewegung "Wir haben abgetrieben!" anspielen, ist kein Zufall. Denn wie damals, so geht es auch heute um einen Tabubruch: Wie damals, so müssen auch heute Selbstbestimmungsrechte erkämpft werden. Wie damals, so stehen auch heute auf der Gegenseite religiöse Kräfte, die meinen, im Besitz "ewig gültiger, heiliger Wahrheiten" zu sein. Sicherlich, es gibt auch Unterschiede: Während das europäische Christentum, gegen dessen tradierte Werte die Frauenbewegung insbesondere ankämpfen musste, durch die harte Schule der Aufklärung gegangen ist und sich infolgedessen zivilere Umgangsformen angewöhnen musste, blieb der Islam trotz großartiger Ansätze etwa im 9. und 10. Jahrhundert von einer solchen "aufklärerischen Belästigung" weitgehend verschont. Wir wollen dazu beitragen, dass sich dies nachhaltig ändert!
Strenge Trennung von Kirche und Staat gefordert
Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft müsse gegenüber den religiösen Kräften verteidigt werden, auch im Fall der Mohammed-Karikaturen. Der Staat und alle Kirchen müssten streng voneinander getrennt, religiös begründete Abmeldungen vom Schwimm- oder Sexualunterricht nicht erlaubt werden, so einige der Forderungen des "Zentralrats der Ex-Muslime". Ihr Auftreten ist voll Anklage gegen jene Religion, von der sie sich distanzieren wollen. Mina Ahadi ist in ihrer Wortwahl nicht zimperlich: Der Islam sei vergleichbar mit dem Faschismus, hat sie einmal in einem Interview gesagt, in einem anderen hat sie ihm jede Reformierbarkeit abgesprochen. Und in unserem Gespräch spricht sie von einer "Horrorreligion"
Mina Ahadi stammt aus dem Iran, sie studierte dort Medizin und wurde nach der Machtergreifung der Mullahs von der Universität verwiesen, weil sie eine Demonstration gegen den Kopftuchzwang für Frauen organisiert hatte. Ihr Mann wurde als Oppositioneller hingerichtet. 1990 kam sie nach Wien, wurde als Flüchtling anerkannt und hat seitdem die österreichische Staatsbürgerschaft.
Verletzung der Frauen- und Menschenrechte
Seit zehn Jahren lebt Ahadi aus privaten Gründen in Deutschland, wo sie 2001 ein Komitee gegen die Steinigung von Frauen in einigen islamischen Ländern gründete. Der politische Islam, der seit der Machtergreifung der Mullahs in Persien einen Aufschwung erlebt, sei eine politische Bewegung, die auf Terror und Angst basiert, sagt sie. Umso weniger versteht sie, die Linke und Feministin, das Verständnis, das von manchen gegenüber dieser Bewegung aufgebracht wird.
Steinigungen, Ehrenmorde und Kopftuchzwang sind Verletzungen der Frauen- und Menschenrechte, betont sie, und wundert sich darüber, dass viele von jenen, die diese Rechte immer im Mund führen, das nicht so sehen. Manchmal habe sie den Eindruck, dass manches, vor dem sie aus dem Iran geflüchtet war, sie jetzt im Westen wieder einhole, sagt sie, etwa wenn muslimische Organisationen in Kanada die Einführung der Scharia im Zivilrecht forderten.
Schwierige Gratwanderung
Von manchen deutschen Linken wird Ahadi vorgeworfen, "islamophobe Ressentiments" zu schüren. Wie geht sie denn damit um, frage ich, wenn in Zeiten von "Daham statt Islam" ausländerfeindliche und rechte Gruppierungen durchaus ähnlich argumentieren wie sie selbst? Das sei eine schwierige Gratwanderung, sagt Mina Ahadi, aber so wie sie zwar gegen die Mullahs sei, aber auch gegen einen möglichen amerikanischen Angriff auf den Iran, so sei sie sowohl gegen die Vertreter des politischen Islam als auch gegen die rechten Ausländerfeinde.
Überhaupt sei es ein Fehler vieler europäischer Länder, die Migranten in erster Linie über ihre Religion zu definieren. Das sei ein Klischee, und an der Aufrechterhaltung dieses Klischees seien sich zwei entgegengesetzte Seiten einig: die Islamlobbyisten und die Rechtsradikalen. Beide betrieben die Gleichsetzung Migrant = Muslim. In Wirklichkeit sei nur eine Minderheit von Migranten aus islamischen Ländern wirklich religiös.
Mina Ahadi erzählt verärgert von einem Fernsehinterview, bei dem sie im Insert als "Muslimin" bezeichnet wurde. Alice Schwarzer, so sagt sie, würde ja auch nicht als "Protestantin" definiert. Die Migranten wollten als Menschen anerkannt werden, nicht nur als Muslime. Religion sei schließlich nur ein Teil des Lebens.
Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 3. November 2007, 17:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Link
Zentralrat der Ex-Muslime