Grabhügel, Tempel und Goldschätze

Die Schätze der Thraker

Wenn man durch Bulgarien fährt, wird man immer wieder auf Überreste der thrakischen Kultur stoßen, auf Grabhügel, Überreste von Tempeln und auf die berühmten Goldschätze der Thraker. In den letzten Jahren sind sensationelle Funde gemacht worden.

Tatul, ein kleines Dorf in der Nähe der hügelig ausschwingenden Ostrhodopen. Eine Mitarbeiterin des Museums in Kardschali, das eine starke türkischstämmige und türkischsprechende Bevölkerung besitzt, zeigt uns eine Ausgrabung, in der viele Ausgrabungsschichten neben- und übereinander liegen. Von mittelalterlichen Festungsschichten über hellenistisch griechischen Tempelanlagen bis zu frühzeitlichen thrakischen Überresten - von denen eine Art Heron, ein Heldengrab aus dem zweiten Jahrtausend von Christus das wohl spektakulärste ist.

Heiligtum des Orpheus?

Das Grab an der Spitze der hügelförmig ansteigende Ausgrabung bleibt die Sensation, seitdem der umtriebige Archäologe und Historiker Nikolaj Owtscharow Hypothesen aufgestellt hat, nach denen es ein symbolisches Heiligtum des mythischen Sängers Orpheus sein könnte.

Er glaubt, dass das thrakische Erbe besonders wichtig für Europa sei, sagt Professor Oftscharow auf Französisch, um dann doch lieber auf Bulgarisch fortzufahren und die Wichtigkeit der Funde für den langsam erblühenden Kulturtourismus herauszustreichen.

Sehenswerte Region
Mediale Aufmerksamkeit bringt zumeist auch mehr Geld von der Regierungsseite für die Ausgrabungen. Dass man von einem Orpheustempel spricht, bringt natürlich Ströme nicht nur bulgarischer Touristen in die ohnehin überaus sehenswerte, aber abgelegene Region.

Vielerorts findet man in der Gegend um Kardschali Felsheiligtümer und Höhlentempel mit Ritzzeichnungen, die viele tausende Jahre zurückdatiert werden. Funde von Gefäßen und Kultgegenständen wie kleine Tierskulpturen, Muttergottheiten und Phalloi, Knochen von Opferungen von Hirschen und Wildschweinen gaben Anlass zu vielen Hypothesen um den Glauben und die Kultur der Thraker.

Orpheus ein Priesterkönig?
Eine nennt sich die These von der heiligen Hochzeit und stammt vom verstorbenen bulgarischen Historiker Alexander Fol. Hier geht es um die mythische Vereinigung der großen Mutter mit ihrem Sohn, dem Sonnegott, aus der der Priesterkönig der Thraker entspringt, der das heilige Ritual in den Felstempeln vollführt. Einer dieser Priesterkönige könnte Orpheus gewesen sein, dem das Grab in Tatul gilt.

Natürlich sei das nur eine Hypothese, sagt Nikolaj Oftscharow, aber viele Indizien sprächen dafür, dass man es in Tatul mit dem Reich des Orpheus zu tun habe.

Orpheus ist ja, nachdem er ein zweites Mal seine geliebte Eurydike an Hades und die Unterwelt verloren hat, nach Thrakien zurückgekehrt. Er habe sich von den Frauen abgewendet und sei dafür von den Mänaden, den Anhängerinnen des Dionysos, zerrissen worden. Der Orpheuskult ist also eng mit dem Dionysoskult verbunden, der ebenfalls stark mit der thrakischen Kultur verknüpft ist, die heute noch in abgelegenen Dörfern durch heidnische Fruchtbarkeitskulten und archaischen Gesängen ihren Niederschlag findet. Diese Gesänge sind wiederum in die populäre Volksmusik eingeflossen, die täglich im bulgarischen Fernsehen zu hören ist.

Gesänge und Tänze
Vasgrecia Vichorowa, eine bekannte Regisseurin und Professorin an der Theateruniversität in Sofia, hat sich mit ihrer Theatertruppe in früheren Jahren viel mit den Gesängen und Tänzen auseinandergesetzt. Sie hat Projekte auch am Nationaltheater in Sofia darüber herausgebracht und einzelne Produktionen, die sie sieben Jahre beschäftigt haben, sind auch international erfolgreich gewesen und haben es bis zum bekannten Adelaide Festival nach Australien geschafft.

Vasgrevia Vichorowa interessiert sich auch heute noch für die neuen Entdeckungen wie jene von Tatul und dem etwa dreißig Kilometer entfernten Perperikon, einem Berg, auf dem ebenfalls viele Schichten unterschiedlicher Kulturen gefunden worden und der im Sommer ebenfalls von Touristenmassen gestürmt wird.

Bei Wissenschaftlern begehrt
Der Aufstieg zum Perperikon ist mühsam, aber der Besucher wird mit einem riesigen Ausgrabungsgebiet belohnt, auf dem Urzeitforscher mit klassischen Archäologen und Mittelalterexperten um jede Schicht wetteifern. Denn das Besondere an den bulgarischen Felsstädten ist, dass sie ungebrochen von den Frühzeitlichen und megalithischen Kulturen bis ins Mittelalter reichen. Und nicht, wie bei der minoischen oder mykenischen Kultur, durch Naturkatastrophen oder andere Fremdeinflüsse zu einem Ende gekommen sind.

Am Perperikon habe man nun auch Belege für die These des Priesterkönigrituals gefunden, vieles liegt aber noch im Dunkel, sagt Nikolaj Oftscharow.

Natürlich haben Oftscharow und seine Anhänger auch viele Gegner in der bulgarischen Akademie der Wissenschaften, zum einen macht viele sein publizistischer Erfolg und dass er von vielen Bulgaren liebevoll Indiana Jones genannt wird, manchen Kollegen stutzig, zum anderen schießt Oftscharow mit so mancher Hypothese wohl wirklich über das Ziel hinaus.

Schätze der Thraker in Museen
Neben den Ausgrabungsstätten gibt es in Bulgarien natürlich an vielen Orten Museen, die die Schätze der Thraker ausstellen. Am wichtigsten ist wohl das Museum in Varna mit berühmten Goldmasken und die beiden Museen in Sofia, die einstige Sommerresidenz von Todor Schifkow am Rande von Sofia und das Archäologische Museum im Zentrum der Stadt, das in einem schönen osmanischen Gebäude untergebracht ist. Hier werden bereits amerikanische Gruppen durchgeschleust, die am magischen Volk der Thraker Interesse zeigen.

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