Ein anspruchsvolles Großwerk
Musik für eine bessere Welt
Zielgenau steuerten Diebe Musik von Luigi Nono an, als sie sich jüngst im Lager des Labels col legno bedienten. Hauptsächlich konzentrierten sie sich dabei auf eine Neueinspielung des Großwerks "Prometeo" - eine höchst empfehlenswerte CD.
8. April 2017, 21:58
Unglaublich fein in ihrer subtilen vokalen Textur, gewagt im Anspruch, damit eine Menschheitsutopie auszudrücken - das ist Musik von Luigi Nono, soeben veröffentlicht auf CD, beziehungsweise SACD, eine Empfehlung in jeder Hinsicht, vom Editorischen übers Interpretatorische zum Kompositorischen.
Anspieltipp: Schlussgesang aus Nonos Tragödie des Hörens "Prometeo". Hier wird spürbar, welch utopische Zartheit und zugleich welches An-die-Grenzen-Gehen sich Luigi Nono als musikalische Verkörperung des Utopischen, eines selbstbestimmten und eigenverantwortlichen und verantwortungsvollen Lebens des Individuums vorstellen mochte. Musik für eine bessere Welt, fast schon aus einer besseren Welt. Ein utopisches Klingen zu Luigi Nonos Lebensthema, der Wahrnehmung und der Verantwortung des Einzelnen.
Anspielungsreichtum und Anspruch
1984 war dieses "Spätwerk" von Luigi Nono in Venedig in der Kirche von San Lorenzo uraufgeführt worden. Es ist ein riesiges Werk in jeder Hinsicht: was die Besetzung betrifft, was die Interaktion mit der in Freiburg über viele Jahre entwickelten Live-Elektronik betrifft, was den musikalischen wie auch textlichen Anspielungsreichtum betrifft und nicht zuletzt was den Anspruch betrifft.
Einzigartige Booklets
Nicht Geringeres als die Entstehung der Welt steht am Anfang der Tragödie des Hörens. Um nicht Geringeres als um die Rettung der Menschheit geht es darin, und nicht Bescheideneres steht an ihrem Ende als das Aufscheinen einer neuen Utopie aus den Trümmern der Kulturgeschichte.
Mit diesen Worten beginnt der Aufsatz von Lydia Jeschke im Booklet dieser neuen CD-Ausgabe von Nonos "Prometeo". Das Besondere dieser Edition, zumindest einige Punkte daraus: Viele Interpreten machen mit, die auf jahrelange eigene Arbeit mit Luigi Nono zurückblicken können, die sein künstlerisches Wollen noch aus erster Hand kennen. Und selbstverständlich ist diese Aufnahme, die beim SWR entstanden ist, nun eine auch in Surround hörbare. Und allein die Booklets rechtfertigen schon die ganze Edition: Nicht nur einige gute Texte in einem der beiden, sondern eine an den Texten entlang aufgeschlüsselte Hörpartitur im anderen Heft machen diese Edition einzigartig.
Feinsinniges Gewebe aus Text und Musik
Das Libretto, erstellt von Nonos Freund, dem Philosophen und zugleich Bürgermeister von Venedig, Massimo Cacciari, wird in all seiner divergenten Quellenlage dargestellt, es besteht ja aus altgriechischer Literatur, Hölderlin und vielem anderen mehr, und in mehrfarbigem Druck in mehrere Sprachen übersetzt lässt sich nun das komplexe und feinsinnige Gewebe aus Text und Musik beim Hören nachvollziehen.
Bei col legno erschienen, muss an dieser Stelle auch kurz der zuletzt durch die Medien gegangene, äußerst seltsamen Kriminalfall erwähnt werden: Aus dem Lager der Plattenfirma entwendete ein Dieb nicht einfach CDs, sondern zielgenau Musik von Luigi Nono und zwar hauptsächlich eben diese neue "Prometeo"-Ausgabe.
Mehr zum Diebstahl in oesterreich.ORF.at
Das Großwerk Nonos ist nach dem Titanen Prometheus benannt. Prometheus, als der, der den Göttern das Feuer stahl, um es den Menschen zu bringen, Zivilisationsstifter, Lichtbringer, übertragen als: Aufklärer.
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Montag bis Freitag, 23:05 Uhr
CD-Tipp
Luigi Nono, "Prometeo, Tragedia dell'ascolto", col legno
Mehr zum Label col legno in oe1.ORF.at
Links
Fondazione Archivio Luigi Nono
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